Neues aus Arbeitsurdistan

Grit Gernhardt über Erwerbstätigkeit und Zweitjobs

  • Lesedauer: 2 Min.

Kurz vor dem Tag der Arbeit stapeln sich die Studien und Meldungen aus der bundesrepublikanischen Arbeitswelt. Wer dachte, dass der Spruch »Wer keine Arbeit hat, hat Zeit, aber kein Geld - wer arbeitet, hat Geld, aber keine Zeit«, hirnrissig ist, kann noch eines Schlechteren belehrt werden. Denn die Realität ist um einiges absurder: Da haben Erwerbstätige oft so wenig Geld, dass sie sich in der ohnehin kaum vorhandenen Freizeit einen Zweitjob suchen müssen, um über die Runden zu kommen.

Für Langzeiterwerbslose dagegen ist weder Arbeit noch Geld da: Bekommen sie ein Darlehen zum Kauf lebensnotwendiger Dinge wie Winterjacken oder Waschmaschinen, wird ihnen die Rückzahlung vom ohnehin spärlichen Hartz-IV-Satz abgezogen. Das ist in etwa so, als würde man einem dauerhungrigen Teenager einmal im Monat einen Nachschlag genehmigen - unter der Bedingung, dass er an den restlichen 30 Tagen nur eine Kleinkinderportion essen darf.

Eine weitere aberwitzige Meldung hatte das Bundessozialgericht zu bieten: Geerbtes Einkommen wird demnach in voller Höhe auf das Arbeitslosengeld II angerechnet, auch wenn die Erben damit Schulden bezahlen wollen. Die Kläger stehen nun also gefühlt schlechter da als vorher: Mit immer noch 3000 Euro Schulden und ohne staatliche Leistungen, bis das Erbe komplett aufgebraucht ist.

Es wäre kaum verwunderlich, würde Absurdistan demnächst als Synonym für Arbeitswelt in den Duden aufgenommen.

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