Flüchtlingsrat hält Brandenburgs Asylpolitik für gescheitert
Vorwurf: Versprochene verbesserung werden nicht umgesetzt / AWO spricht von großen regionalen Unterschieden
Potsdam. Aus Sicht des Flüchtlingsrats ist Brandenburg mit seiner Asylpolitik gescheitert. »Die Landesregierung muss endlich den menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen«, sagte Kay Wendel von der Organisation am Montag in Potsdam. Dies werde erschwert durch einen Streit über die Finanzierung der Unterbringung zwischen dem Land und den dafür zuständigen Kommunen. »Dieses schäbige Spiel muss endlich beendet werden.« Wendel erwartet keine Verbesserung durch den zweiten Asylgipfel der Landesregierung an diesem Freitag (27. Februar). Das Treffen sei überflüssig, weil es seit 2011 bereits ein Unterbringungskonzept gebe.
Statt beschlossene Verbesserungen umzusetzen, werde die »desaströse und konzeptionslose Unterbringungspolitik« der vergangenen Jahre fortgesetzt, kritisierte Wendel. In einem offenen Brief unterstreicht der Flüchtlingsrat zum Asylgipfel seine Forderungen. Wohlfahrtsverbände dringen auf landesweit vergleichbare Strukturen und Mindeststandards bei der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen.
Der brandenburgische Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) beklagte große regionale Unterschiede. Während beispielsweise die Landeshauptstadt Potsdam Flüchtlinge in erster Linie in Wohnungen unterbringen wolle, setze der Landkreis Dahme-Spreewald weiterhin auf Massenunterkünfte, kritisierte Geschäftsführerin Anne Böttcher. Anders als der Flüchtlingsrat gehe ihre Organisation voller Erwartungen in den zweiten Asylgipfel. »Da die Landkreise sehr unterschiedlich agieren, müssen wir eine Struktur des Austausches schaffen.«
Die Organisationen versuchen dabei auch, in der Bevölkerung Verständnis für die Belange der Flüchtlinge zu wecken. Sie würden es begrüßen, wenn die Betroffenen selbst ihre Stimme erheben würden - so wie Flüchtlinge in Berlin mit einer Besetzung des Oranienplatzes. Angesichts der verschiedenen Zuständigkeiten sei es jedoch schwierig für Flüchtlinge, ihr Ansinnen selbst zu formulieren, erläuterte Böttcher.
Zu dem rund dreistündigen Treffen am Freitag werden neben Abgeordneten auch Vertreter aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsorganisationen und weiteren Verbänden erwartet. Das Treffen sei ein guter Ort, um die Probleme anzusprechen, meinte Brandenburgs stellvertretender Ministerpräsident Christian Görke (Linke) am Montag. Die Kritik des Flüchtlingsrats wies er zurück: »Das Land bemüht sich nach Kräfte um eine menschenwürdige Flüchtlingsaufnahme.«
2014 waren mehr als 6300 Flüchtlinge nach Brandenburg gekommen, fast doppelt so viele wie 2013. In diesem Jahr werden etwa 8100 Flüchtlinge erwartet. Beim ersten Asylgipfel vor rund einem Monat hatten die Landesregierung und die Kommunen deutlich mehr Geld vom Bund für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge gefordert. dpa/nd
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