»Blutzoll«-Kalkulationen

Arno Klönne über die Skrupellosigkeit der herrschenden Geopolitik

  • Arno Klönne
  • Lesedauer: 3 Min.

Das hat es selbst in den Zeiten, als der westdeutsche Staat noch unter transatlantischem Besatzungsstatut stand, nicht gegeben: In aller Öffentlichkeit wurde die (nun längst gesamtdeutsche) Regierung von US-amerikanischen Politikern als russophil an den Pranger gestellt, anpasserisch verhalte sie sich gegenüber dem »Aggressor Putin«. Der Kern dieses Konfliktes: In den Vereinigten Staaten drängen jene Machtgruppen nach vorn, die eine direkte und offene Teilnahme der NATO an den blutigen Kämpfen in der Ukraine durchsetzen, die sozusagen voll auf Risiko gehen wollen. Das Ziel dabei: Der Sturz Putins, »Regime Change« in Moskau, Abstufung Russlands in der geopolitischen Rangordnung, nebenbei ein Wechsel im Zuliefersystem der europäischen Energieversorgung. Die Folgen solcher Operationen für die russische Wirtschaft und für die soziale Lage der Bevölkerung dort können den ökonomisch-politischen Eliten in den USA ziemlich gleichgültig sein; sie sind nicht auf eine friedliche und dauerhafte Verknüpfung mit Rußland als Marktpartner angewiesen.

Die deutsche Bundeskanzlerin und ihr Außenminister halten diese geopolitische Strategie für schädlich, deshalb werden sie nun rhetorisch abgestraft. Angela Merkel wirbt mit leisen Tönen für eine »historisch schon einmal bewährte« Alternative: »Wandel« durch »Einfrieren« des Konfliktes, so wie im Verhältnis der Altbundesrepublik zur Sowjetunion; Politik des »langen Atems«, die schließlich zur »Wende« in der Sowjetunion führte und zum unblutigen Anschluß des ostdeutschen Staates an die Bundesrepublik. Mit Putin-Sympathien hat das nichts zu tun, sondern mit dem Wunsch nach Risikominderung. Die Bundeskanzlerin geht davon aus, dass der Ukraine-Konflikt »nicht militärisch zu lösen« sei. Offenbar liegt in Berlin ein Gedanke an die zerstörerischen Effekte »robuster« Osteuropapolitik (und auch an deren desaströse Nebenwirkungen für deutsche ökonomische Intereressen) näher als in Washington - was unschwer zu erklären ist.

US-amerikanische Politiker sprachen bei der »Sicherheits«-Konferenz in München von dem »Blutzoll«, den der Westen gegenüber der russischen Politik im Kampf um die Ukraine erhöhen müsse, damit Putin die Zustimmung in seinem Lande verliere. Die Ungeniertheit in der Verwendung dieses Begriffs legt Skrupellosigkeit offen. Diese allerdings ist ein Grundmuster gegenwärtiger internationaler Machtkonkurrenz, auch Putin ist da alles andere als ein Abweichler...

Madeleine Albright (US-Außenministerin unter Clinton, Teilnehmerin bei der Münchener »Sicherheits«-Konferenz) hat »Spiegel Online« ein Interview gegeben, in dem sie Angela Merkel dafür rügt, dass diese »Putin nicht provozieren« wolle (durch Nato-Einsatz in der Ukraine). Der russische Präsident sei doch der »Provokateur«. Eine Nebenbemerkung ließ Albrigt fallen: Im Falle Saddam Hussein freilich sei beim US-amerikanischen Umgang mit Provokationen etwas schief gegangen, der Irak-Krieg habe sich als ein eklatanter »Fehler« Washingtons erwiesen. Eine nachhaltig katastrophale Wirkung des Kalkulierens mit »Blutzoll«, hätte die Exaußenministerin hinzufügen können. Aber ein solcher Gedanke ist dieser Geopolitikerin fremd. Nicht nur ihr.

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