Lies mal wieder!

Ingolf Bossenz über die mächtigste Merkel und Treitschkes Faszination

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 1 Min.

»Als würde sie aus dem Kursbuch der Bundesbahn vorlesen.« Schreibt das US-Magazin »The New Yorker« über Angela Merkels betonungslosen Redefluss. Und meint das durchaus anerkennend mit Blick auf ihren »erstaunlichen Aufstieg zur mächtigsten Frau der Welt«. Nun ist die »Bundesbahn« seit 21 Jahren Geschichte und auch das »Kursbuch« gehört in dieser Form zur nostalgischen Erinnerung. Doch vielleicht ist dies das Geheimnis des spektakulären internationalen Renommees der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin: dass sie bei ihren Bewunderern Reminiszenzen an Dinge und Erscheinungen heraufruft, die es lange nicht mehr gibt. Oder: dass wie bei Heinrichs IV. Sohn der Wunsch des Gedankens Vater ist. Was gerade in der Heimat Shakespeares nicht überrascht, wo die Tageszeitung »The Times« jetzt Angela Merkel zur »Person des Jahres 2014« gekürt hat. Das in den USA erscheinende »Forbes«-Magazin hat Merkel sogar schon zum vierten Mal in Folge zur »mächtigsten Frau der Welt« erklärt.

Treitschkes Faszination (»Männer machen die Geschichte«) für »große« Männer ist offenbar ungebrochen und erfährt den gesellschaftlichen Fortschritt in ihrer Expansion auf die ebenso »großen« Frauen. Dabei würde die Welt vermutlich besser aussehen, wenn die »Mächtigsten« beiderlei Geschlechts bisweilen einfach nur aus dem Kursbuch vorlesen würden.

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