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Zerreißprobe für Israels Regierung

Rechtsparteien verursachen offenen Eklat mit Initiative für »Nationalstaatsgesetz«

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einem neuen Gesetz will Israels Rechte den Charakter des Staates nach ihrem Geschmack verändern. Darüber droht nun die Koalition von Premier Netanjahu zu zerbrechen.

Die Türen waren, wie immer, verschlossen. Doch dieses Mal brauchte es keine Informanten, keine Quellen um zu erfahren, was drinnen vor sich ging: Man konnte es klar und deutlich hören. Denn es wurde geschrieen, gebrüllt. »Hier wird versucht, den Charakter des Staates so zu verändern, dass man ihn danach nicht mehr wieder erkennt«, sagt Jitzhak Herzog, Vorsitzender der Arbeiterpartei.

Quell seines Grams ist das sogenannte Nationalstaatsgesetz, eine Initiative mehrerer ultrarechter Politiker, die in einem Grundgesetz den »jüdischen und demokratischen Charakter des Staates Israel« festschreiben lassen wollen und dabei gleichzeitig definieren, was genau sie darunter verstehen. Ursprünglich hatte das Parlament schon am heutigen Mittwoch darüber in erster Lesung abstimmen sollen, nachdem das Kabinett mit den Stimmen der rechten Minister am Sonntag die Initiative durchgewinkt hatte. Doch nachdem es zum offenen Eklat gekommen war, einigte man sich darauf, die Abstimmung um eine Woche zu verschieben.

Denn auch die beiden ultraorthodoxen Parteien, die nicht an der Regierung beteiligt sind, sind gegen das Gesetz: Viele ihrer Wähler lehnen einen jüdischen Staat aus religiösen Gründen ab, akzeptieren aber Israel als undefiniertes Zwischending, weshalb man nach der Unabhängigkeit auch darauf verzichtete, Israel auf dem Papier eine Staatsform zu geben; auch eine eigene Verfassung hat das Land trotz Jahrzehnte langer Bemühungen nicht. Man hatte sich nie auf einen Text einigen können, der für all die vielen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen akzeptabel ist.

Doch im Entwurf für das »Nationalstaatsgesetz« heißt es nun: »Der Staat Israel ist die nationale Heimstatt des jüdischen Volkes, in der es seine Hoffnung auf Selbstbestimmung auf der Grundlage seiner Tradition und seines historischen Erbes realisiert.« Und: »Das Recht auf Selbstbestimmung im Staat Israel steht einzig dem jüdischen Volk zu.«

Darüber hinaus soll festgelegt werden, dass die Regierung auf die jüdische Besiedlung des Landes hinarbeitet; die jüdischen Religionsgesetze sollen als »Inspiration« für Gesetzgeber und Richter dienen. Besonders diese Vorschriften sind für die Kritiker extrem problematisch, denn Grundgesetze haben in Israel gemeinsam mit der Unabhängigkeitserklärung Verfassungscharakter. Der Oberste Gerichtshof müsste damit künftig sämtliche Fragen auch unter dem Gesichtspunkt jüdischen Rechts beleuchten. Siedlungsräumungen würden damit schwer werden. Gleichzeitig würden jene gestärkt werden, die ein Gebetsrecht für Juden auf dem Tempelberg, Standort der muslimischen Al-Aksa-Moschee, fordern.

»Für mich ist das größte Problem, dass eine kleine gesellschaftliche und politische Gruppe mit ihren extremen Ansichten versucht, die schwierigen politischen Verhältnisse dazu zu nutzen, um dem gesamten Land ihre eigenen Vorstellungen aufzudrücken,« sagt Justizministerin Zippi Livni: »Zwar steht da auch irgendwo, dass Israel ein demokratischer Staat sein soll, aber Araber werden de facto zu Bürgern zweiter Klasse degradiert.«

Regierungschef Benjamin Netanjahu setzt sich vehement für das Gesetz ein. Wie sein ultrarechter Koalitionspartner »Jüdisches Heim« hatte er gehofft, dass die Fraktionen von Finanzminister Yair Lapids Partei und von Livni gegen den Entwurf stimmt und ihm so Gelegenheit geben würde, sie gegen die religiösen Parteien auszutauschen. Nachdem am Sonntag aber das Nein der Ultraorthodoxen eintraf, ist dies unmöglich geworden. Netanjahu befindet sich in einer schwierigen Situation. Er muss binnen einer Woche einen Kompromiss finden, der verhindert, dass entweder die Rechten oder die Zentristen von selbst gehen; er kann aber darauf bauen, dass weder Lapid noch Livni Interesse an Neuwahlen haben, da ihre Parteien wohl massiv an Mandaten einbüßen würden.

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