Typisch deutsch
Gabriele Oertel über die Feierlichkeiten zum Fall der Mauer
Der große Feiertag ist vorüber. Und es ist alles gesagt - und zwar wohl tatsächlich von allen. Gorbatschow, Merkel, Kissinger, Biermann, Gauck - selbst der Alt-Kanzler der Einheit hat sich mit seiner früheren Skepsis gegenüber den Bürgerrechtlern noch einmal zu Wort gemeldet. Wohlfeile Reden, Staatsakte, Ausstellungen, Blumen, Kränze, Lichter, nachträgliche Deutungsversuche - wir hatten von allem genug. Das für die Welt erdachte Bild über das ein Vierteljahrhundert vereinte Deutschland ist bunt - und trotzdem ziemlich deutsch: triumphierend, auftrumpfend, freudenheulend, wie es sich - Jubiläum hin oder her - eigentlich an einem jeden 9. November in diesem Land nicht gehört. Und selbst unter den nur dieses einen Tages vor 25 Jahren gedenkenden Menschen gibt es nicht nur die feiernden. Aber schon jene, die nachdenklich sind, weil das größer gewordene Deutschland sich nicht nur zum Besseren entwickelt, werden als störend empfunden. Und die dritten, deren Tränen nicht durch Rührung hervorgerufen werden, gelten geradezu als lästig. Dabei will keiner von denen die Mauer wieder.
Dass aber eine nicht kleine Anzahl ehemaliger DDR- und BRD-Bürger wie auch manche ihrer gesamtdeutschen Nachkommen partout nicht den von Jahr zu Jahr verächtlicher werdenden Blick nach hinten lernen wollen und beim Blick nach vorn mancherlei Bauchschmerzen haben, wurde beim politischen Wiederbelebungsversuch einer längst vergangenen Euphorie ausgeblendet. Und also viel getan, um das zu konservieren.
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