»Die Menschen wollen sich selbst organisieren«

Die griechische Aktivistin Nansy Stamati über lokale Politik, transnationale Vernetzung und die Zusammenarbeit im Blockupy-Bündnis

  • Lesedauer: 3 Min.

2002 hat sich die »Antiautoritäre Bewegung« im Rahmen der Mobilisierung gegen den EU-Gipfel in Thessaloniki gegründet. Welche politischen Auseinandersetzungen stehen heute im Vordergrund?
Wir sind Teil der breiten antifaschistischen Bewegung in Griechenland. Angesichts der wachsenden faschistischen Gefahr geht es darum, die Menschen aufzuwecken und zu sensibilisieren. Wir unterstützen den Kampf der Arbeiter von VIO.ME, die ihren Betrieb in Eigenregie weiterführen, nachdem der Eigentümer mit riesigen Lohnschulden das Weite gesucht hat. Wir sind aktiv im Widerstand der Einwohner von Chalkidiki gegen den Goldabbau. Außerdem organisieren wir jedes Jahr das Festival der direkten Demokratie in Thessaloniki.

Wie bewerten Sie die Austeritätspolitik, die unter Führung Deutschlands in Europa durchgesetzt wird?
Wir denken nicht, dass sie ausschließlich von Deutschland bestimmt wird. Auch wenn der bürgerlichen Klasse der Nationalismus in die Wiege gelegt worden ist, hat der Neoliberalismus als Herrschaftsplan über die unteren sozialen Klassen kein Vaterland mehr. Die Austerität ist der Ausweg des Kapitals aus »seiner« Krise.

Welche Auswirkungen hat die Krise auf das Leben in Griechenland?
Die Lösung des Kapitals besteht in der Reduzierung der Arbeitskosten, der Ausbeutung von Gemeingütern und der Zerstörung sozialer Rechte. Wir erleben eine riesige soziale Plünderung. Wir erleben aber auch eine neue kollektive Praxis. Wir haben es geschafft, Tauschnetzwerke und Arbeitskollektive als Alternativen aufzubauen.

Sie arbeiten lokal und vernetzen sich zugleich auf europäischer Ebene auf Einladung des deutschen Blockupy-Bündnisses. Warum ist das wichtig?
Der gewaltvolle Angriff des kapitalistischen Systems auf alle Lebensverhältnisse, den wir in den letzten Jahre erleben, betrifft nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa und darüber hinaus. Aus diesem Grund kommen wir an einer Vernetzung von Bewegungen auf globaler Ebene nicht vorbei. Unser Netzwerk entstand in den Auseinandersetzungen um die »Roten Zonen« in Seattle, Prag und Genua. Ergebnis ist unter anderem die Vernetzung mit dem kommunistischen Ums-Ganze-Bündnis aus Deutschland und Österreich, mit dem wir 2012 den europaweiten Aktionstag gegen Kapitalismus M31 organisiert haben. Der nächste Schritt war die Gründung einer antiautoritären Plattform namens »Beyond Europe«.

Funktioniert die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg?
Beim letzten Treffen in Brüssel im September waren 50 Organisationen aus 15 Ländern vertreten. Das hat uns gefreut. Wir haben über eine transnationale Agenda von verschiedenen Initiativen für ein Europa von unten diskutiert. Ein Bestandteil davon sind die Blockupy-Aktionen in Frankfurt am Main - das Festival im November und die Proteste gegen die Eröffnung der EZB im Frühjahr. Man muss offen sein für andere Ansätze, um gemeinsame Aktionsschritte zu schaffen.

Wird es angesichts der sozialen Not überhaupt gelingen, Menschen aus Griechenland nach Frankfurt zu mobilisieren?
Der Gesellschaft in Griechenland fehlen leider Information über das, was außerhalb ihres Landes angestoßen wird. Die Stimmung ist im Keller. Zugleich lehnen immer mehr Menschen Repräsentation ab. Sie wollen sich selbst organisieren. Deswegen hoffen wir, die finanziellen Grenzen zu überwinden und dass eine große Anzahl an Menschen die Reise antritt. Es ist die Zeit gekommen, wo die Menschen sich darauf fokussieren, was sie vereint - damit wir in Zukunft nicht mehr wie Sklaven leben.

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