Marode Bundeswehr im weltweiten Einsatz

Bundeswehr erfüllt nicht die Anforderungen der NATO-Verteidigungsplanung/ Steinmeier will mehr Einsätze weltweit

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Deutschland werde sich weltweit in Krisengebieten stärker für Lösungen einsetzen, verspricht Außenminister Steinmeier vor der UNO-Generalversammlung. Doch die Truppen, die er schicken will, sitzen auf maroden Materialien.
New York. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat vor den Vereinten Nationen ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands versprochen. Die Welt scheine in diesem Jahr »aus den Fugen geraten«, sagte Steinmeier am Samstag bei der UN-Generaldebatte in New York. Angesichts der Vielzahl an Krisen müssten sich Staaten ihrer Verantwortung stellen. Deutschland sei bereit, diese Verantwortung in und mit der UNO zu übernehmen, sagte er.
Der Außenminister erklärte, dass die Bundesrepublik das internationale Bündnis gegen die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) unterstütze. »Wir sind schockiert von der ungeheuren Brutalität jener Terroristen, die den Namen Gottes missbrauchen für ihr teuflisches Werk«, sagte Steinmeier. Besonders beunruhigend sei, dass »die Prediger des Hasses« auch junge Menschen aus Europa für ihren Kampf in Syrien und im Irak gewinnen könnten. Deutschland beliefert kurdische Einheiten im Nordirak mit Waffen, lehnt eine Beteiligung an den US-geführten Luftangriffen gegen die Dschihadisten aber ab.
Steinmeier kündigte an, im kommenden Monat eine Konferenz zu den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien auszurichten. Bei dem Treffen solle »dringend notwendige humanitäre Hilfe« für die Millionen Flüchtlinge mobilisiert werden. »Mein Land wird seinen Teil dazu tun, und ich setze darauf, dass viele andere es in gleicher Weise tun werden«, sagte er. Unterstützung bräuchten vor allem die Nachbarstaaten Syrien, »die Enormes leisten, aber auch enorm belastet sind«. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes soll die Konferenz am 28. Oktober in Berlin stattfinden.
Angesichts der Ebola-Epidemie in Westafrika forderte Steinmeier eine langfristige Stärkung der Gesundheitssysteme in den betroffenen Staaten. »Über die unmittelbare Solidarität hinaus brauchen wir vor allem auch langen Atem«, sagte er. Deutschland werde dazu seinen Beitrag im Rahmen der UNO und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leisten. »Wir können die Toten nicht ins Leben zurückholen. Aber vielleicht können wir verhindern, dass an Ebola noch viel zu viele sterben, die nicht sterben müssten, wenn sie medizinisch behandelt würden«, sagte der Außenminister.
Steinmeier prangerte erneut das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise an. Ausgerechnet das ständige Sicherheitsratsmitglied habe Völkerrecht gebrochen, sagte er. »Diesem gefährlichen Signal mussten wir uns entgegenstellen.« Das Völkerrecht dürfe nicht »von innen ausgehöhlt« werden.
Der Außenminister erklärte, dass eine Beilegung der Krise noch »weit entfernt« sei. Die Diplomatie habe in den vergangenen Wochen und Monaten aber eine direkte Konfrontation zwischen russischen und ukrainischen Streitkräften verhindert, sagte er. Nun komme es darauf an, dass »die Waffen dauerhaft schweigen« und eine politische Lösung »unter Wahrung der Einheit der Ukraine« erreicht werde.
Mit seiner Rede vor der UN-Vollversammlung lieferte Steinmeier einen weiteren Beitrag zu der Debatte um ein stärkeres außenpolitisches Engagement der Bundesrepublik. Im Februar hatte der Außenminister auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt, Deutschland sei eigentlich zu groß, »um Weltpolitik nur von der Seitenlinie zu kommentieren«. Bundespräsident Joachim Gauck forderte, dass sich Deutschland »als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen« sollte.
Bundeswehr nicht einsatzbereit
Die Bundeswehr genügt derzeit nicht den vertraglich vereinbarten Anforderungen, die sich aus der NATO-Verteidigungsplanung ergeben. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte der »Bild am Sonntag«, bei den »fliegenden Systemen liegen wir im Augenblick unter den vor einem Jahr gemeldeten Zielzahlen, was wir binnen 180 Tagen der Nato im Alarmfall zur Verfügung stellen wollen«. Auch ein Ministeriumssprecher bestätigte einen entsprechenden »Spiegel«-Vorabbericht.
Von der Leyen sagte der »BamS« zur Begründung: »Dahinter steckt der Ersatzteilengpass bei den Flugzeugen und der Ausfall von Marinehubschraubern.« Ihr Sprecher sagte dazu, laufende Einsätze und Krisenreaktionseinsätze seien nicht gefährdet. Dem »Spiegel« zufolge könnte die Bundeswehr im Ernstfall eines Angriffs etwa auf ein baltisches Nato-Mitglied nicht die 60 angemeldeten Eurofighter stellen.
Bei der Bundeswehr sind derzeit zahlreiche Hubschrauber und Transportflugzeuge aufgrund technischer Mängel nicht einsatzbereit. Probleme gibt es Medienberichten zufolge auch bei Kampfjets der Typen Eurofighter und Tornado, bei gepanzerten Fahrzeugen des Typs Boxer und weiterem Gerät.
Technikpannen hatten in den vergangenen Tagen auch den Flug von Bundeswehr-Ausbildern in die Kurdengebiete im Nordirak verzögert. Kritiker zweifeln bereits an der Einsatzfähigkeit der Truppe. Das Bundesverteidigungsministerium weist dies zurück. afp/nd
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