Der vierte Streich

John Degenkolb mausert sich bei der Vuelta zum Favoriten für das WM-Straßenrennen

  • Tom Mustroph, La Coruña
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Thüringer John Degenkolb siegt und siegt bei der Vuelta 2014 - in La Coruña ließ er die Konkurrenz zum vierten Mal hinter sich. Für die WM vom 20. bis 28. September hofft der Sprinter nun auf eine Medaille.

Radprofi John Degenkolb bringt sich bei der Vuelta in bestechende WM-Form. Bereits vier Etappensiege holte der gebürtige Geraer bei der aktuellen Spanienrundfahrt. Damit kommt er zwar noch nicht ganz an seine Serie von 2012 heran, als er fünf Tagessiege errang und im Anschluss WM-Vierter wurde. Doch seine aktuelle Bilanz ist dennoch etwas wertvoller. Denn Degenkolb war nicht nur bei Flachsprints der Schnellste. Er distanzierte die Konkurrenz auch nach Anstiegen in Zielnähe. »Wir mussten am Dienstag richtig kämpfen. Das ganze Team hat Schwerstarbeit geleistet und ich bin froh, dass ich uns am Ende belohnen konnte«, meinte der Giant-Profi im Teamhotel an der Atlantikküste zu »nd«.

Degenkolb war vor allem froh, dass er in Spanien seine Seuchenserie von mehr als einem Dutzend zweiten Plätzen hintereinander so markant beenden konnte. »Das war schon eine Erlösung«, gab er zu. Schlüssel dafür war, dass er nicht ins Zweifeln ob seiner Qualitäten geriet. »Man kann nicht alles selbst beeinflussen und muss den Dingen auch mal ihren Lauf lassen. Wenn man etwas zu sehr erzwingt, gelingt gleich gar nichts mehr«, philosophierte er.

Mit seinen Siegen hat er sich nun in eine Top-Position für die WM gebracht. Geradezu wie eine Generalprobe für das Straßenrennen in Ponferrada Ende September wirkte das Finish von La Coruna am Mittwoch. Denn WM-Mitfavorit Fabian Cancellara war nach etwas Durcheinander auf dem letzten Kilometer plötzlich unter den Sprintern zu sehen. Der Schweizer, der das WM-Zeitfahren auslässt, um sich ganz auf den Sieg im Straßenrennen zu konzentrieren, wurde Etappendritter.

»Das war ein richtiger Härtetest. Es ist einfach gut zu wissen, dass ich am Berg mitfahren und dann meine Schnelligkeit ausspielen kann«, konstatierte Degenkolb befriedigt. Bei der Vuelta lobt er das »hohe sportliche Niveau«. »Ich fahre sie jetzt zum dritten Mal - und noch nie war das Level derart gut. Die Top-Fahrer, die bei der Tour de France ausgestiegen und jetzt hier dabei sind, sorgen für ein sehr hohes Grundlevel. Das haben wir auch am Montag gespürt, als wir um unser Leben fahren mussten, um noch unter die Karenzzeit zu kommen«, erklärt er. Nur 40 Sekunden vor Ablauf dieser Frist war das Grupetto im Ziel - also jenes Grüppchen aus Fahrern, die sich am letzten Ende des Feldes tummeln.

Zu Aussagen über die wundersam anmutende Heilung der Klassementfahrer Alberto Contador und Chris Froome - der eine brach sich vor nicht einmal zwei Monaten das Schienbein, der andere Hand und Handgelenk - mag Degenkolb sich nicht äußern. »Ich bin kein Arzt, habe keine Röntgenbilder gesehen und weiß auch nicht, ob überhaupt etwas gebrochen war«, meint er. Ganz sicher aber bekommt er zu spüren, dass beide wieder dabei sind: Froome und Contador sorgen für höllisch schnelles Tempo an der Spitze.

Degenkolb will die letzten Etappen der Vuelta 2014 für den WM-Schwung nutzen. »Es wird hart in den kommenden Tagen. Aber ich will bis zum Ende durchfahren. Zum einen will ich das Punktetrikot verteidigen. Zum anderen gibt es mentalen Auftrieb, wenn man so etwas durchsteht und auch die Jungs, die hier für mich gearbeitet haben, nicht im Stich lässt«, erzählt er. Eine bemerkenswerte Einstellung, denn bis zum Ende der Vuelta werden zahlreiche Fahrer, die sich bei der WM Chancen ausrechnen, die Anstrengungen scheuen und nebenbei auch den Dopingkontrollen hier entgehen. Dass die im Profiradsport effizienter geworden sind, zeigt der aktuelle Epo-Befund des Astana-Profis Valentin Iglinskiy.

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