Afghanisches Theater
Emran Feroz über zwei zankende Präsidentschaftskandidaten und ihre amerikanische Nanny
Vor rund einer Woche wurde das vorläufige Ergebnis der afghanischen Stichwahl bekannt gegeben. Laut der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) lag der ehemalige Weltbankmitarbeiter Aschraf Ghani Ahmadzai mit über fünfzig Prozent vorne. Den ersten Wahlgang entschied jedoch sein Kontrahent, Ex-Außenminister Abdullah Abdullah, für sich. Dieser wetterte schon seit Wochen gegen die Ghani-Fraktion und sprach immer wieder von »Betrug«. Nach der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses ging das Drama weiter.
Abdullahs Verhalten ist an sich nichts Neues. Schon 2009 zog er gegen Hamid Karzai die gleiche Show ab. Dass sowohl die damalige als auch die diesjährige Wahl nicht mit rechten Dingen ablief, ist allerdings nicht zu bestreiten. Das Dilemma an den afghanischen Präsidentschaftswahlen ist jedoch die Tatsache, dass es auf einer Seite immer einen Aufschrei geben wird. Faire, saubere Wahlen à la Europa sind hier nämlich schlicht und einfach nicht möglich. Die notwendigen Strukturen hierfür sind nicht gegeben. Und das wird wohl noch einige Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, so bleiben.
Nichtsdestotrotz ging der Streit zwischen den Kandidaten weiter. Auch die deutsche Bundesregierung war Medienberichten zufolge »besorgt« über die Lage in Kabul. Vor einigen Wochen unternahm Außenminister Frank-Walter Steinmeier erste Schritte und schickte seinen Afghanistan-Beauftragen nach Kabul, damit dieser Ghani und Abdullah zur »Räson« bringe. Daraus wurde jedoch nichts. Die Anhänger beider Parteien beschimpften sich weiterhin, sowohl auf der Straße, als auch in der virtuellen Welt, sprich, auf Facebook, Youtube und Twitter. Dass die Lage schnell eskalieren kann, machte ein Mord an zwei Kindern deutlich. Berichten zufolge wurden sie von Abdullah-Anhängern ermordet, weil sie Ghani bejubelten.
Dann – nach viel Drama und vielen neu entstandenen Feindschaften – reiste US-Außenminister John Kerry nach Kabul. Nun war plötzlich alles geregelt. Nach einem Gespräch unter sechs Augen wurden alle Streitigkeiten beiseite gelegt. Man kam zum Schluss, dass nicht nur einige, sondern alle Wählerstimmen neu ausgezählt werden sollen. Ghani und Abdullah umarmten sich, lächelten freundlich in die Kameras und alles war schön und gut.
All das ist nichts Neues in Afghanistan. Einem Land, welches jeder fremde Staatschef betreten kann, als wäre es sein Hinterhof. Eine Tatsache, die nicht erst seit zehn Jahren der Fall ist, sondern schon seit über einem Jahrhundert, als britische Offiziere in Kabul auf und ab marschierten. Empfangen wurden sie damals wie heute stets auf roten Teppichen. Das ganze Morden, die Kolonialisierungspläne und all die anderen Missetaten wurden von den ausgewählten »Volksvertretern« immer wieder schnell vergessen. Es glich einem Puppentheater. Nicht unterhaltend, sondern heuchlerisch und absurd. Und auf Kosten anderer. Damals wie heute.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.