Direkte »Wetter-App« zur CIA

Neue Fakten zum »Freundschaftsdienst« eines BND-Mitarbeiters - Merkel ist enttäuscht

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine »Hilfskraft« des BND sorgt für einen neuen Eklat. Der Mann gab geheime Dokumente vermutlich an die CIA weiter. Doch was für den Dienst seit jeher normal ist, darf sich ein Mitarbeiter nicht herausnehmen.

»Die US-Botschaft in Deutschland nimmt derzeit Bewerbungen für die unten aufgeführten Positionen entgegen...«, heißt es auf der Website der Berliner Vertretung. Gesucht wird derzeit ein Elektriker und ein paar Freiwillige, die sich als Praktikanten ins US-Leben hineinschnuppern wollen. Einen Agenten sucht man derzeit nicht, obwohl doch der CIA seit Mitte vergangener Woche einer abhanden gekommen sein muss. Der hatte direkt aus der Zentrale des deutschen Auslandsdienstes BND berichtet.

Wer weiß, vielleicht sind ja die Zweifel von Sicherheitsexperten berechtigt. Sie halten es durchaus für denkbar, dass der Ertappte nur dachte, dass er der CIA behilflich ist. Es wäre wahrlich nicht die erste sogenannte »false flag operation« in der Spionagegeschichte des BND. Dagegen spricht die Aussage, der BND-Mann habe sich ganz einfach beworben bei der US-Botschaft in Berlin. Per E-Mail. Laut US-Botschaftswebsite geht das eigentlich nicht. Fragen bleiben zuhauf offen.

Sicher scheint: Bei insgesamt drei Treffen mit Kontaktmännern in Österreich hat der 31-Jährige aus dem BND-Stab der Abteilung »Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen« 25 000 Euro erhalten. Dafür habe er 218 Dokumente geliefert. Einmal pro Woche soll er geheime Dokumente an die CIA geschickt haben. Dafür sei auf seinem Laptop eine Wetter-App installiert gewesen. Fragte der Nutzer das New Yorker Wetter ab, öffnete sich ein spezielles Verschlüsslungsprogramm und mit ihm ein Lieferpfad zum US-Dienst.

Der letzte Auftrag des Mannes, dessen Bedeutung nun von offizieller deutscher Seite sehr durchschaubar runtergespielt wird, habe darin bestanden, Informationen zum NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu besorgen. Zwei Lieferungen hätten die Auftraggeber erreicht. Dann flog der Doppelagent auf. Das Wie erhellt die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden.

Offenbar wollte der Doppelagent dreifach kassieren und bot auch Moskau seine geheimen Dienste an. Gleichfalls per E-Mail. Doch Richtung Osten ist das Bundesamt für Verfassungsschutz fleißig. Es fischte erst das Angebot und dann den Anbieter heraus. Angeblich wollte man den Verräter per gefälschter russischen Adresse zu einem Treff locken. Der kam nicht zustande. Daraufhin fragte der Verfassungsschutz ausgerechnet die elektronisch global-erfahrenen US-Kollegen, ob sie etwas mit der vom gesuchten Zuträger genutzten Google-Mail-Adresse anfangen könnten. Eine Antwort kam nicht, nur der Account wurde gelöscht.

Der Fall des mutmaßlichen Doppelagenten löst quer durch die deutschen Parlamentsparteien Empörung aus. Der Skandal um das massenhafte Ausspähen der Kommunikation unbescholtener Bürger durch den US-Dienst NSA sowie die gezielte elektronische Ausforschung führender Politiker, wie von Wirtschaftsunternehmen, trübte bereits die Beziehungen zwischen Berlin und Washington. Zumal die Bundesregierung nur schwache Versicherungen erhalten hat, dass derartige Neugier ihr Ende findet. US-Präsident Barack Obama sicherte der Kanzlerin lediglich zu, dass ihr Handy künftig tabu sei. Dafür versucht die deutsche Regierung - erst die schwarz-gelbe, jetzt die schwarz-rote - den Skandal so tief wie möglich zu hängen. Angeblich fordert man nun jedoch, dass die USA Verantwortliche des »Joint Intelligence Staff« in der Berliner US-Botschaft auswechseln.

Die Kanzlerin - auf China-Trip - verkniff sich verbindliche Aussagen. Sie besuchte gestern ein hochmodernes VW-Werk im chinesischen Chengdu. Aus Delegationskreisen war zu hören, die Chefin sei erstaunt und enttäuscht. Bundespräsident Joachim Gauck preschte dagegen im ZDF vor. Wenn der BND-Mitarbeiter tatsächlich für den US-Geheimdienst spioniert haben sollte, sei dies »ein Spiel mit Freundschaften und enger Verbundenheit«. Die Amerikaner seien bis in die letzten Tage hinein »unsere wichtigsten Partner in der internationalen Zusammenarbeit für Sicherheit, auch im Anti-Terrorkampf«. Daher müssten die Vorfälle »jetzt zügig aufgeklärt werden«, meint Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der ARD.

Linkspartei und Grüne richten den Finger auf das für die Geheimdienstkoordination zuständige Kanzleramt und den dortigen Hausherrn, Peter Altmeier. Doch der sonst so Twitter-fleißige Mann hinter Merkel schweigt seit dem vergangenen Mittwoch. Das ist jener Tag, an dem der BND-Doppelspion verhaftet worden ist.

Schweigen? Das geht gar nicht, meint André Hahn, der für die Linksfraktion im Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste sitzt. Fast ein Jahr liegen die ersten Snowden-Enthüllungen zurück, und die US-Dienste machen weiter »als sei nichts gewesen«. Hahn verlangt, »dass der Generalbundesanwalt den jüngsten Vorfall lückenlos aufklärt«. Nun aber sei auch die Bundesregierung gefordert, »endlich aktiv zu werden und die gegen deutsche Bürger, nicht zuletzt auch gegen Abgeordnete, gerichtete Überwachung wirksam zu unterbinden«.

Dass man dabei machtlos ist, glaubt Hahn nicht. Er schlägt vor: »Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen müssen ausgesetzt und am Spionagefall beteiligte Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen werden.« Für den Linkspolitiker ist die einzig wirksame Methode, derartige Affären zu verhindern, »eine sofortige Schließung aller US-Geheimdiensteinrichtungen in Deutschland«.

Die entsprechende Liste der Standorte hat Edward Snowden bereits geliefert.

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