Windräder gleich vorm Badestrand
Mecklenburg-Vorpommerns Tourismusbranche in Sorge
In Mecklenburg-Vorpommern bahnt sich ein Konflikt zwischen zwei für das Land wichtigen Wirtschaftszweigen an: der Tourismus- und der Offshore-Windkraftbranche. Grund sind Pläne der SPD/CDU-Landesregierung, nach denen künftig Windparks bis zu sechs Kilometer an die Küste heranreichen können. Für die Betreiber der Windparks ist dies von großer Bedeutung, denn je weiter die Windparks im offenen Meer stehen, desto schwieriger ist es wegen der Tiefe, Fundamente zu setzen. Zudem wird der Betrieb immer teurer, je mehr Kilometer zwischen Küste und Windpark liegen.
Solche Pläne lassen die Verantwortlichen in der Tourismusbranche mit Bangen in die Zukunft schauen. »Unser Aushängeschild ist die unverbaute Natur«, sagt der Kurdirektor der Fischland-Gemeinde Dierhagen, Stephan Fellmann. Selbst Werbebroschüren der Landesregierung zeigten stets Strand, Landschaft und Natur. »Das ist unser Aushängeschild - ohne Windkraftanlagen«, betont er.
Für ihn ist es unvorstellbar, dass so nahe zum Strand ein Windpark errichtet wird. »Sonnenuntergänge, wie wir sie jetzt kennen, gibt es dann nicht mehr.« Einen Vergleich mit dem bestehenden Windpark Baltic 1 vor Prerow und Zingst lehnt er ab. Dieser liegt rund 16 Kilometer vor der Küste und dessen Windräder sind meist deutlich zu sehen. Trotzdem sind die Besucherzahlen in der betroffenen Region nicht wie befürchtet eingebrochen.
Tausende Arbeitsplätze seien in Gefahr, Millionen Euro für die touristische Infrastruktur wären möglicherweise umsonst verbaut, sagt auch Bad Doberans Kurdirektorin Kerstin Morgenroth. Die unverfälschte Natur sei auch ein zentraler Punkt im großen Therapieangebot für Kurpatienten.
Dagegen begrüßt der Vorsitzende des Windenergie-Netzwerks MV, Andree Iffländer, dass die Landesregierung Rahmenbedingungen schaffen will, um die Zukunftsindustrie Offshore zu unterstützen. Gleichzeitig warnt er vor einer zu emotionalen Diskussion oder gar Untergangsszenarien. »Die Urlaubsentscheidungen werden nicht alleine wegen Sonnenuntergängen getroffen«, betont er. Die Urlaubspläne würden von attraktiven Angeboten vor Ort, im Umland und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis getragen. Der größte Teil der deutschen Bevölkerung befürworte den Ausbau der Windkraft und wisse, dass dafür auch Windkraftanlagen gebaut werden müssen.
Gleichzeitig verweist er auf den volkswirtschaftlichen Nutzen der Windkraftindustrie mit einem hohen Faktor von regionaler Wertschöpfung. »Die Offshore-Windparks führen zum Wohlstand einer Region.« Allerdings weiß auch Iffländer, dass Nutzungskonflikte nicht zu vermeiden sind. Er verweist dabei auf die komplexen Genehmigungsverfahren. Die Behörden würden jede mögliche Auswirkung durch Lärmentwicklung oder Gefährdung der Tierwelt oder Schifffahrt prüfen und abwägen. Jürgen Blume, Geschäftsführer des international tätigen Windpark-Betreibers Iberdrola Deutschland, mahnt einen engen Kontakt zu den Gemeinden an den Küsten an.
Der Tourismusverband hat Konsequenzen gezogen und ist dabei, mit Hilfe eines unabhängigen Forschungsinstituts erstmals die Verträglichkeit von Windenergie und Tourismus zu beleuchten. Die Befürchtung ist klar: Werde das positive Image des Tourismuslands angekratzt, droht der Nordosten perspektivisch zum Beispiel für eine falsche Prioritätensetzung zu werden. dpa/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.