Modi schweigt zu Vergewaltigung

Regierungschef Indiens belässt seinen unter Verdacht stehenden Minister im Amt

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein indischer Minister soll eine 16-Jährige vergewaltigt haben. Premier Narendra Modi hatte eine Null-Toleranz-Politik bei Gewalt gegen Frauen angekündigt, doch der Minister bleibt im Amt.

Indiens neuer Premierminister Narendra Modi gerät wegen einer Vergewaltigung unter Druck. Er hält seine Hände schützend über einen Minister, der zweifacher Vergewaltigung beschuldigt wird und dazu im nächsten Monat vor Gericht aussagen muss. Die Nationale Frauenkommission, die oppositionelle Kongresspartei, andere Parteien und Frauenrechtlerinnen fordern die sofortige Entlassung des Ministers.

Beschuldigt wird der Staatsminister für Chemikalien und Düngemittel, der 43 Jahre alte Nihalchand Meghwal. Er soll vor einigen Jahren eine damals Minderjährige vergewaltigt haben. Sie war als 16-Jährige bereits verheiratet, von ihrem Gatten unter Drogen gesetzt und zum Sex mit mehr als einem Dutzend einflussreicher Männer im Unionsstaat Rajasthan gezwungen worden. Das heute 24 Jahre alte Opfer erinnert sich an 17 Vergewaltiger, darunter der heutige Minister, der sich zweimal an dem Mädchen vergangen haben soll.

Der Beschuldigte behauptet, er kenne zwar den Ehemann, habe aber dessen Frau nie getroffen. Den 2011 registrierten Fall schloss die Polizei ein Jahr später mit der Begründung ab, alle Vorwürfe seien »fabriziert und falsch«. Das Opfer klagte vor einem Distriktgericht, das den Fall ebenfalls gegen die Frau entschied. Jetzt hat sie ein Revisionsverfahren erreicht, zu dem am 20. August alle 17 Beschuldigten vorgeladen sind.

Regierungschef Modi hat sich bisher nicht konkret zu dieser brisanten Affäre geäußert. Die Sprecher der regierenden Indischen Volkspartei (BJP) jedoch verteidigen den verdächtigten Minister. Es handele sich um eine »politische Verschwörung«.

Dieses Verhalten steht indes in krassem Gegensatz zu den Versprechungen, die Modi kürzlich vor dem Parlament abgegeben hatte. Da verkündete er »Null Toleranz gegenüber Gewalt an Frauen«. Man dürfe nicht »mit der Würde von Müttern und Schwestern spielen«. Es »muss höchste Priorität der Regierung und der 1,2 Milliarden Bürger sein, Frauen zu achten und zu beschützen«.

Für diese hehren Ausführungen erhielt der Regierungschef viel Beifall. Doch praktisch blieben sie ohne jeden Effekt. Die landesweite Gewaltwoge gegen Frauen und Mädchen ebbt nicht ab. Immer neue Fälle von Vergewaltigungen mit anschließendem Mord machen Schlagzeilen. Und nun steht gar ein Minister im Fadenkreuz.

Die Vorsitzende der Nationalen Frauenkommission, Mamta Sharma, verlangt von Modi die Entlassung des Ministers. In Debatten in den elektronischen Medien werden die BJP-Vertreter daran erinnert, dass sie in einem ähnlichen Fall, der einen Minister der Kongresspartei betraf, vehement dessen Entlassung forderten. Nun an der Macht, sträubt sich die BJP gegen eine solche Entscheidung.

Shoba Oza, Präsidentin der Frauenorganisation der Kongresspartei, äußerte: »Das ist das wirkliche Gesicht der Modi-Regierung. Alle ihre Versprechungen klingen hohl. Wenn die Null-Toleranz-Politik ernst gemeint ist, warum ist der Minister dann noch im Amt?« Er könne in seiner Position das Revisionsverfahren zu seinen Gunsten beeinflussen. Die Frau habe doch gegen ihn gar keine Chance, gerecht behandelt zu werden. Sie werde bereits massiv unter Druck gesetzt, ihre Klage zurückzuziehen, und sie erhalte Todesdrohungen.

In dieser Situation könnte Modi ein unmissverständliches Zeichen setzen, dass er meint, was er sagt. Doch der sonst so entscheidungsfreudige Regierungschef hüllt sich in Schweigen, unterminiert damit seine Glaubwürdigkeit und liefert der Opposition Munition. Seine Partei schwelgt immer noch in dem Stolz, bei den Parlamentswahlen ein überwältigendes Mandat erhalten zu haben. Zumindest die weiblichen Wähler der BJP erwarten nun, dass mit diesem Mandat etwas Entscheidendes für ihre Sicherheit getan wird.

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