Analyse statt Nachahmung

Klaus Steinitz und Dieter Walter arbeiten in ihrem aktuellen Buch die sozialistische Planwirtschaft auf - und entwickeln Zukunftsvisionen

  • Michael Brie
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor 25 Jahren wurde das Experiment einer zentralistischen Planung und Leitung der Volkswirtschaft in der DDR und den anderen mittel- und osteuropäischen Staaten sowie der Sowjetunion abgebrochen. Es war der größte und am längsten dauernde Versuch der Neuzeit, eine nichtkapitalistische Wirtschaftsweise einzuführen. Konfuzius sagte: »Menschen können in drei Weisen lernen: Erstens durch Analyse, dies ist der ehrenhafteste Weg. Zweitens durch Nachahmung, das ist der einfachste Weg. Drittens durch Erfahrung und dies ist der bitterste Weg.«

Nachgeahmt wurde genug und bittere Erfahrung massenhaft angehäuft. Klaus Steinitz und Dieter Walter gehen den Weg der Analyse - mit dem Ziel, sie künftigen Generationen zur Verfügung zu stellen. Denn eins ist klar: Die ungeheuren sozialen und ökologischen Probleme, die Überwindung der krassen globalen Ungleichgewichte, der notwendige Umbau der gesamten stofflichen, energetischen, infrastrukturellen Systeme wird nicht weniger, sondern mehr Prognose und Planung erfordern, als heute geleistet wird. Die sogenannte Energiewende macht es deutlich: Märkte können bei Umwälzungen nur ihren Part leisten, wenn es klare Vorgaben, langfristige Preisgestaltung, massive öffentliche Investitionen und staatliche Förderung gibt.

Die Autoren entwickeln ein schlüssiges Gesamtkonzept des Verhältnisses von Plan und Markt, betonen die zentrale Rolle umfassender Demokratisierung und beziehen, wenn auch sehr knapp, Ansätze solidarischer Ökonomie und der neuen Diskussion zu den Commons ein. Besonders aufschlussreich sind die Darstellungen zu den DDR-Wirtschaftsreformen der 1960er, mit denen auf die Grundprobleme einer Zentralverwaltungswirtschaft reagiert wurde.

Neu ist vor allem aber die Analyse der Probleme langfristiger Wirtschaftsprognose und Perspektivplanung, die ab der zweiten Hälfte der 1960er in den Vordergrund trat. Gerade dies könnte von Bedeutung für heutige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ansätze sein. Wie die Autoren schreiben: »Die gesellschaftliche Regulierung der wirtschaftlichen Entwicklung kann auf der Grundlage eines starken öffentlichen Sektors sowie unter Nutzung des Markts und seiner Mechanismen wesentlich dazu beitragen, dass die langfristigen Prozesse und qualitativen Umschläge nicht nur erkannt, sondern auch die erforderlichen Potenziale für ihre Realisierung bereitgestellt und gezielt eingesetzt werden.«

Prognose, langfristige Entwicklungspläne, Planung und Bilanzierung der Schwerpunktaufgaben, ständiges Monitoring und Feedback seien Bedingungen, um die engen Verflechtungen ökonomischer, sozialer, ökologischer und kultureller Prozesse zu gestalten. Den Autoren gelingt es, die Komplexität der notwendigen Aufgaben zu verdeutlichen, die Bildung und Kultur sowie Wertvorstellungen, Arbeits- und Lebensbedingungen, Rohstoffsicherung und Energieversorgung, Territorialentwicklung und transnationale Integration einschließen - alles brandaktuell. Die Anlagen, nicht zuletzt Stellungnahmen von Fritz Behrens, Wlodzimierz Brus und Kazimierz Łaski, Jewsei Liberman, Radovan Richta und Ota Šik sind wichtige Ergänzungen.

Wer sich heute ernsthaft mit Fragen einer sozial-ökologischen Transformation kapitaldominierter Gesellschaften befasst, wird die Analyse von Steinitz und Walter weder links noch rechts liegen lassen. Hier wird nicht versucht, leichtfüßig über Probleme, Widersprüche und Ambivalenzen hinwegzuschreiben, sondern sich ihnen erfahrungsgesättigt zu nähern.

Steinitz, Klaus/Walter, Dieter: Plan - Markt - Demokratie, Prognose und langfristige Planung in der DDR - Schlussfolgerungen für morgen, VSA, Hamburg 2014, 224 Seiten, 16,80 Euro

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