Frauensache
Dessaus »Lady Macbeth«
Diese Oper war mal verboten. Stalin hatte sie 1936 in Moskau besucht. Kurz danach gab es den zu unsäglicher Berühmtheit gelangten »Chaos statt Musik«-Verriss in der »Prawda«. Was ja leicht hätte mehr bedeuten können, als nur das Werk in den Orkus zu verbannen. Oft ließ der Diktator ja die Künstler gleich mit verschwinden.
Tatsächlich gibt es etliches, was man als nicht mal allzu subtilen Angriff auf den Herrscher und sein System deuten könnte. Es ist verblüffend offen, wie eindeutig sexuell man mit einem Orchesterzwischenspiel, wie das zur Liebesnacht der frustrierten Kaufmannsfrau Katerina und des notorischen Schürzenjägers Sergej, einem puritanischen Moralverständnis Paroli bietet. Oder wie man mit einem Lob der Sonne bei der Hochzeit der beiden, gleich nachdem der fiese Schwiegervater mit Rattengift und dann auch noch der Ehemann aus dem Weg geräumt wurden, eine Hymne an den Mann an der Spitze der Partei und des Staates karikieren kann. Von der grotesken Überzeichnung der korrupten Polizei und dem Fußmarsch nach Sibirien ganz abgesehen.
Mittlerweile gehört diese Oper, deren musikalische Wirkung nach wie vor eine sichere Bank ist, zum Repertoire. Man kann eigentlich auch nicht viel falsch machen bei diesen irgendwie überzeitlichen Bildern aus dem russischen Landleben. Diese Katerina ist mit ihrer Rigorosität im Aufbegehren schon zum Fürchten. Aber so, wie ihre stumpfsinnig frauenverachtende Umgebung gezeigt wird, stellt sich auch ein gewisses Verständnis ein. Wenn auch nicht für die Mittel, so doch für die Verzweiflung Katerinas.
In Dessau hat Regisseur und Ausstatter Hinrich Horstkotte durch eine ziemlich radikale Reduktion auf die Personen in einem schwarzen Raum, mit nur ganz wenigen Versatzstücken zum quadratischen schwarzen Spielpodest im Zentrum (die man sogar als Verweis auf Malewitschs Ikone der Abstraktion deuten kann), den Fokus auf die Psychologie der Figuren gelenkt. Nur die Kostüme tümeln etwas. Sonst herrscht chorografische Präzision - auch in den brutalen Vergewaltigungs- und Prügelszenen.
Die Nummer Eins des Dessauer Ensembles, Iordanka Derilova, wird vokal und darstellerisch zum Kraftzentrum der Inszenierung, Robert Künzli ist ein exzellenter Sergej und Ulf Paulsen ein fies dominierender Schwiegervater. Das übrige Ensemble und der Chor ziehen fabelhaft mit. Und GMD Antony Hermus verlässt sich am Pult der Anhaltischen Philharmonie nicht nur aufs Losdonnern, sondern arbeitet ebenso präzise die Feinheiten der Partitur heraus.
Für diese Lady hatte das Publikum nur Zustimmung. Auf eine andere freilich ist man im Moment vor allem in Dessau ziemlich wütend. Hatte doch die Magdeburger Intendantin Karen Stone verkündet, wie toll sie fände, dass man den Etat von Dessau und Halle auf Magdeburger Niveau runterfährt. Geht’s noch? Schon mal was von Solidarität gehört?
Nächste Vorstellung: 5.4.
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