Schwierige Premiere Obamas in Brüssel

Beim EU-USA-Gipfel ist nicht nur der Umgang mit Moskau ein Problem

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.
Für Barack Obama ist der heutige EU-USA-Gipfel in Brüssel eine Premiere: Erstmals besucht der Präsident Institutionen der Europäischen Union.

Der Präsident habe sich etwas Kulturelles zum Auftakt seiner Europa-Reise gewünscht, hieß es im Begleittross. Was Barack Obama schließlich ins Amsterdamer Reichsmuseum führte. Auch dieses demonstrativ zur Schau gestellte Interesse an europäischer Kunst hat etwas mit dem Zustand der transatlantischen Beziehungen zu tun. Der USA-Präsident ist auf einem Versöhnungstrip, der ihn erstmalig in die Brüsseler EU-Institutionen, nach Rom und zum Papst führen wird. Europa sei der »Grundstein für das amerikanische Engagement in der Welt«, versicherte er jetzt auf einer Pressekonferenz.

Dieses Bekenntnis wird Kommissionschef José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman Van Rompuy, mit denen er heute beim EU-USA-Gipfel in Brüssel am Tisch sitzt, allerdings nicht reichen. Für Obama wäre es auch ohne die Causa Krim eine Krisentour, schon die beleidigten Bündnispartner im NSA-Spionageskandal oder die zähen Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen stehen dafür. Vom »Fuck the EU« seiner Europa-Beraterin Victoria Nuland in Sachen Ukraine ganz zu schweigen.

Die Lage dort und die Beziehungen zu Moskau werden beim heutigen Treffen eine wichtige Rolle spielen. Am Rande des Nukleargipfels in Den Haag hat die Siebener-Gruppe der führenden Industrienationen am Montag unter Führung Obamas Russland bereits bis auf weiteres aus ihrem exklusiven Klub ausgeschlossen und den für Juni geplanten G8-Gipfel in Sotschi ebenso abgesagt wie ein Außenministertreffen im April in Moskau. Stattdessen wird es nun einen G7-Gipfel in Brüssel mit den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada geben. Russland war 1998 in diese informelle Staatenstruktur aufgenommen worden.

Wie es in einer Erklärung der G7 heißt, erkenne man weder das prorussische Referendum auf der Krim an noch den Beitritt der Halbinsel zur Russischen Föderation. Ändere Moskau seine Politik nicht, werde man Sanktionen in bestimmten Bereichen intensivieren, »die sich in immer stärkerer Weise auf die russische Wirtschaft auswirken«. Oder um es mit Obama zu sagen: »Wir sind einig darin, dass Russland für sein bisheriges Handeln bezahlen muss.« Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich gelassen. Alles keine Tragödie, »wenn unsere westlichen Partner glauben, dass sich die G8 überlebt hat, werden wir uns nicht daran klammern«. Dann würden eben die großen Fragen in der G20 diskutiert, der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.

Wenn Obama Moskau »zahlen« lassen will, braucht er, der den gemeinsamen Gipfel auch schon geschwänzt hat, die EU. Sie ist wirtschaftlich weitaus enger mit Russland verflochten als die USA - damit aber auch anfälliger für alle Bumerangeffekte von Strafmaßnahmen. Die EU-Staaten hätten die Hauptlast einer verschärften Sanktionspolitik zu tragen, allen voran Deutschland. Auch deshalb lobte das Weiße Haus jetzt demonstrativ Bundeskanzlerin Angela Merkel. Denn nach den Finanzsanktionen gegen Männer aus Putins Umgebung will man in Washington nun »Schlüsselsektoren« der russischen Wirtschaft ins Visier nehmen.

Aber nicht nur hier gibt es erheblichen Gesprächsbedarf. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat von den USA gerade mehr Transparenz bei den Verhandlungen über das geplante Handelsabkommen (TTIP) gefordert. Um Sorgen der Bürger zu verringern, müsse offengelegt werden, worüber eigentlich konkret gesprochen werde. Auch Verbraucherschützer haben die Geheimniskrämerei kritisiert. Befürchtet wird zudem eine Verschlechterung von Arbeitnehmerrechten und Umweltstandards. Enttäuscht zeigt man sich in Brüssel über das völlig ungenügende US-amerikanische Angebot zum Zollabbau. Zudem hat Präsident Obama vom Kongress in Washington noch immer kein beschleunigtes Verhandlungsmandat erhalten, obwohl bis Herbst eine Grundsatzeinigung erreicht werden soll.

Inzwischen hat die Brüsseler Kommission auch auf inhaltliche Klagen reagiert. Laut einem internen Papier will Handelskommissar Karel De Gucht etwa den umstrittenen Investorenschutz begrenzen und damit Befürchtungen entgegentreten, dass Unternehmen Staaten mit der Androhung von Schadenersatzforderungen unter Druck setzen und so politische Ziele im Umwelt- und Verbraucherschutz unterlaufen könnten.

Und dann wäre da noch der NSA-Skandal, der auf dem alten Kontinent für große Empörung gesorgt hat; wenn auch in unterschiedlichem Maße. London sitzt dank seines Geheimdienstes GCHQ selbst auf der Anklagebank, Paris sieht das gegenseitige Vertrauen inzwischen wieder hergestellt. Aber nicht alle wollen sich mit der flächendeckenden Überwachung durch den »großen Bruder« abfinden.

Das Europäische Parlament forderte, die Abkommen zur Übermittlung gewerblicher Daten (»Safe Harbour«) sowie von Bankdaten europäischer Bürger (SWIFT) an die USA auszusetzen. Und bis Sommer soll ein transatlantisches Rahmenabkommen zum Datenschutz für die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz ausgehandelt werden. Von einem Ende der NSA-Spionage hörte man bisher nichts. Ein Gesetzentwurf zur Einschränkung der massenhaften Sammlung von Telefondaten, von dem die »Washington Post« berichtete, gilt nur für USA-Bürger.

Weiterlesen:

Polen wird die ukrainischen Geister nicht los
Regierungspartei PO und nationalkonservative PiS wetteifern vor der Europawahl in Angstmache

Russland rüstet zur See
Mehr moderne Schiffe für die Schwarzmeerflotte

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.