Rätsel um »Selbstverteidigung« der Krim
Ukraine wirft Russland Einmischung vor / Gestürzter Präsident Janukowitsch erbittet Hilfe aus Moskau
Die Spannungen auf der Krim seien eine »natürliche Reaktion« auf den unrechtmäßigen Umsturz, meldete sich der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am Freitag in der Politik zurück. Er sei »nicht abgesetzt« worden, sondern habe sich nach Drohungen »gezwungen« gesehen, das Land zu verlassen, sagte er vor Journalisten in der russischen Stadt Rostow am Don. In der Ukraine hätten »junge Neofaschisten« die Macht übernommen. Verantwortlich dafür sei eine »unverantwortliche Politik« des Westens. Janukowitsch bat Russland um Hilfe, nicht aber um eine militärische Intervention.
Derer wurde Moskau verdächtigt. Es versicherte aber, Soldaten und Matrosen der russischen Schwarzmeerflotte hätten ihre ständigen Stationierungsorte auf der Krim nicht verlassen. In der Nacht zuvor nahmen maskierte Bewaffnete den Aiport Belbek in Sewastopol unter Kontrolle. Am Nachmittag gab es widersprüchliche Angaben, ob die »Einheiten der Selbstverteidigung der Krim«, wie sie ein Abgeordneter des Parlaments der Halbinsel in Simferopol bezeichnete, den Flughafen wieder verlassen haben.
Die Regierung in Kiew behauptete, es handle sich um Angehörige der russischen Flotte. Innenminister Arsen Awakow warf Russland militärische Einmischung vor und sprach von einer direkten Provokation auf dem Territorium eines unabhängigen Staates.
Auch die Krimtataren blieben misstrauisch. Sie verweigerten der neuen Führung der Halbinsel Gefolgschaft und Gespräch. Die Regierung sei »unter vorgehaltener Pistole von Unbekannten« formiert worden, erklärte ein Sprecher der Volksgruppe. Am Vortag war das Parlamentsgebäude von Bewaffneten gestürmt worden. Der bisherige Regierungschef der Autonomie trat zurück und machte dem Führer der Partei »Russische Einheit«, Serge Aksionow, Platz. Der nannte Janukowitsch den weiterhin rechtmäßigen ukrainischen Präsidenten.
Zur Regelung der Probleme mit dem Süden und Osten der Ukraine unterbreitete das Parlament von Donezk Vorschläge. Es wandte sich »gegen Nationalismus in jeder Form«, verlangte die Wiederherstellung des Sprachengesetzes und die Entwaffnung ungesetzlicher Formationen.
Die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs äußerten sich gemeinsam »zutiefst besorgt« über die Lage auf der Krim. Die Spannungen in den östlichen Regionen des Landes müssten vermindert und ein friedlicher Dialog »zwischen allen beteiligten Kräften« gefördert werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ukrainische Premier Arseni Jazenjuk seien einig, dass die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt werden müsse, teilte die Bundesregierung mit.
Der IWF informierte, dass er Anfang der Woche in Kiew die Finanzlage der Ukraine prüfen wolle, um mögliche Hilfsprogramme vorzubereiten. IWF-Chefin Cristine Lagarde beruhigte trotz eines drohenden Staatsbankrotts und warnte vor Panikmache. Mit Agenturen
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