Washingtons Gefälligkeitsbotschafter
Auch Präsident Obama macht großzügige Geldgeber zu dilettantischen Diplomaten
Die Diskussion ist neu entflammt, nachdem einige der jüngsten Kandidaten, die Barack Obama als Botschafter auswählte, in ihren Senatsanhörungen mit grandioser Ahnungslosigkeit über das Land glänzten, in dem sie künftig die Fahne der USA hochhalten sollen. Die Medienplattform POLITICO bündelte den Eindruck, den viele frühere und künftige Diplomaten hinterließen, in der Frage: Wieso schicken die USA so viele dämliche, unqualifizierte Marionetten ins Ausland?
Die Frage machte sich zuletzt an mehreren Neudiplomaten fest, wie die »Washington Post« zusammenfasste: »Der Botschafter-Anwärter für Norwegen löste in Oslo Empörung aus, weil er eine der Regierungsparteien extremistisch nannte. Eine Produzentin von Seifenopern, als Botschafterin in Ungarn nominiert, schien wenig Ahnung zu haben von dem Land, in dem sie künftig leben wird. Ein prominenter Geldgeber Obamas, als Ambassador in Argentinien geplant, räumte ein, er habe noch nie den Fuß ins Land gesetzt und spreche kein Spanisch. Selbst der frühere Senator der Demokraten für Montana Max Baucus, neuer US-Botschafter in Peking, sorgte bei seiner Anhörung mit dem Eingeständnis für Irritation: Ich bin nicht gerade ein Fachmann für China.«
Abgesehen von den Peinlichkeiten gerät Obama selbst ins Zwielicht und verhöhnt das Demokratieprinzip. Der 44. US-Präsident empörte sich in seinem ersten Wahlkampf über die Praxis, Spender mit Spitzenämtern zu honorieren, nur um heute »prominente Diplomatenposten im Dutzend an Sympathisanten zu verteilen«, wie die »Washington Post« schrieb.
Seit langem folgen Präsidenten bei der Vergabe von Diplomatenposten einer »70:30«-Formel: 70 Prozent an Karrierediplomaten, 30 an Verbündete. Wie die American Foreign Service Association analysierte, habe Obama bereits bei 37 Prozent seiner Botschafternominierungen politische Gefährten bevorzugt; bei ausschließlicher Betrachtung seiner zweiten Amtszeit schnelle der Satz sogar auf 53 Prozent hoch. Verglichen mit mehreren Amtsvorgängern ist das besonders viel.
Für den innenpolitischen Gegner sind diese Zahlen ein gefundenes Fressen. Senator John McCain (Arizona), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und unterlegener Präsidentschaftskandidat der Republikaner in Obamas Wahlkampf 2008, nannte einige der jüngsten Nominierungen »alarmierend«. »Wenn man jemand zum Botschafter macht, der bisher noch nicht mal im betreffenden Land war, betreibt man Glücksspiel«.
Die aktuelle Debatte hatte im Januar begonnen, als sich Millionenspender und Hotelmanager George Tsunis der Anhörung als Botschafter für Norwegen unterzog. Er räumte ein, noch nie in Norwegen gewesen zu sein, und erklärte, die dortige Fortschrittspartei, sie ist Teil der Mitte-Rechts-Koalition, gehöre zum »extremistischen Rand«.
Der neue Botschafter in Buenos Aires, Noah Mamet, wurde gefragt, ob er jemals in Argentinien war. »Dazu hatte ich bisher keine Gelegenheit«, antwortete Mamet, der über 500 000 Dollar für Obamas Wiederwahl gespendet hatte. In der gleichen Anhörung muste auch Robert C. Barber, der 2012 mehr als 1,6 Millionen Dollar für Obamas Kampagne gezahlt hatte und als Botschafter in Island nominiert ist, eingestehen, dass er sein Einsatzland noch nie gesehen habe.
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