Haftstrafen für Neonazis aus Rade

NRW: Richterin sieht »kriminelle Vereinigung«

  • Hendrik Puls, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Erstmals wurde in NRW eine Neonazi-Kameradschaft juristisch als »kriminelle Vereinigung« eingestuft. Am Montag verurteilte das Landgericht Köln sechs Neonazis aus Radevormwald wegen »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« und weiterer Delikte zu Haftstrafen zwischen neun Monaten und zweieinhalb Jahren. Die Männer im Alter von 19 bis 26 Jahren gehörten der Kameradschaft »Freundeskreis Rade« an, die sich im Frühjahr 2011 gründete und bis April 2012 aktiv war.

Obwohl eine juristische Definition der »kriminellen Vereinigung« nicht einfach sei, sah die Vorsitzende Richterin Sybille Grassmann beim »Freundeskreis Rade« alle Kriterien erfüllt. Die Gruppe zeichnete sich durch eine »klare ideologische Ausrichtung mit NS-Bezügen«, »offene Rechtsfeindschaft« und eine »eindeutige Zielsetzung« aus, die sich gegen Andersdenkende, Linke und Menschen mit Migrationshintergrund richtete. Die Taten seien nach einem bestimmten Muster gelaufen.

Beispielsweise am 16. April 2011, als bewaffnete Neonazis eine Gruppe von Jugendlichen und Kindern mit Migrationshintergrund von einem Stausee im benachbarten Wuppertal vertreiben. Als die Neonazis die Gruppe wenig später in der Stadt treffen, setzt es unter Rufen wie »Scheiß Ausländer« Schläge und Tritte. Vier Tage später feiert die Szene am Wupperufer Hitlers Geburtstag. Als sich drei Jugendliche in einem Auto nähern, werden diese direkt angegangen. Steine fliegen, eine Person wird verletzt. In den Augen der Neonazis handelt es sich bei ihren Opfern um Linke.

Auch am 1. Mai attackieren sechs bis acht Neonazis einen Jugendlichen. Der schon am Boden Liegende wird weiter mit Tritten malträtiert, wodurch er Brüche im Gesicht erleidet und schwer verletzt wird. Wieder rufen die Neonazis bei der rassistisch motivierten Tat »Türken raus« und »Sieg Heil«. Als Tatbeteiligter konnte nur ein 26-Jähriger verurteilt werden. Wie in anderen Fällen war die Beweisführung schwierig.

In dem fünf Monate dauernden Prozess wurden insgesamt zwölf Gewalttaten verhandelt, doch nicht bei allen konnten Schuldige überführt werden. So ließ sich im Falle eines Reizgasangriff auf einen Polizisten, der im Januar 2012 zwei rechte Sprayer festnehmen wollte, ein Täter nicht zweifelsfrei identifizieren. Es blieb bei einer Verurteilung wegen Sachbeschädigung für einen Neonazi.

Keiner der Angeklagten sei als Mitläufer einzuschätzen, hieß es in der Urteilsbegründung. Auch habe sich niemand von der Neonazi-Szene distanziert. Rädelsführer der Gruppe sei der einschlägig vorbelastete Jonas R. gewesen. Der 21-Jährige erhielt mit einer Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren das höchste Strafmaß. Als einzige ist seine Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Neben der Mitgliedschaft in der »kriminellen Vereinigung« wurde er wegen Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Mit einer eher milden Strafe kam der ehemalige Vorsitzende der Radevormwalder Stadtratsfraktion der rechtspopulistischen Partei »Pro NRW« davon. Nach Ansicht des Gerichts konnte Tobias R. - er ist der ältere Bruder des Rädelsführers - eine Mitgliedschaft oder Unterstützung der »kriminellen Vereinigung« nicht nachgewiesen werden. Er wurde wegen einer versuchten Körperverletzung und einer Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 25 Euro verurteilt. Das Verfahren gegen einen minderjährigen Angeklagten war bereits im Laufe des Prozesses eingestellt worden.

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