Wale ja, Haie nein
Fußball-Nationaltorhüterin Nadine Angerer genießt ihren neuen Job in Australien
nd: Sie haben die Weihnachtstage in Ihrer australischen Wahlheimat verbracht. Wie hat man sich das mitten im Sommer vorzustellen?
Angerer: Ich hatte am 22. Dezember noch ein Spiel gegen Sydney, dann geht es am 4. Januar weiter. Deshalb hätte es keinen Sinn gemacht, heimzufliegen. Weihnachtsgefühle kamen eher nicht auf, weil es knallheiß ist. Natürlich war alles geschmückt, aber in Flipflops wirkte das irgendwie auf mich paradox. An der Gold Coast standen die Weihnachtsmänner in kurzen Hosen auf dem Surfbrett, so bin ich auch im Bikini über den Weihnachtsmarkt gegangen. X-mas, wie sie hier sagen, habe ich dann bei einer Freundin in Sydney bei Sonne, Strand und BBQ verbracht. Ungewohnt würde ich sagen.
Brisbane ist ein Ferienparadies. Waren Sie schon tauchen?
Das ist so eine Sache. Seit ich hier bin, hat es an der Ostküste zwei Haiangriffe gegeben. Ich bin da echt ein »Schisser«. Wale und Delfine habe ich schon gesehen, ein Hai muss nicht unbedingt sein.
Sie haben beim letzten Heimatbesuch gesagt, Sie würden jeden Tag etwas Neues erleben.
Ich wusste nach zwei Wochen, dass es das Richtige für mich ist. Ich bin immer noch jeden Tag beeindruckt. In meinem Verein herrscht eine absolute Professionalität und totale Aufmerksamkeit. Man ist enorm vorausschauend.
Zum Beispiel?
Wir müssen zum Beispiel vor jedem Training unseren Urin mitbringen, damit kontrolliert werden kann, ob wir dehydriert sind. Dann wird bestimmt, wie viel man nachtrinken muss. Ich hatte ja deswegen einen Muskelfaserriss…
…wirklich?
Ja, ich habe das schwarz auf weiß bekommen. Wegen der leichten Brise, die hier immer weht, merkt man oft nicht, dass man permanent schwitzt. Mit Thomas Broich trainiere ich ja manchmal zusammen, und er hat gleich beim ersten Kaffeetrinken gesagt: ›Natze, trink‘ genug!‹ Hätte ich mal auf ihn gehört. Diese Lektion habe ich hinter mir. Jetzt weiß ich auch, warum jeder eine Wasserflasche mit sich herumschleppt.
Wie sind Sie mit ihrem sportlichen Engagement zufrieden?
Das erste Heimspiel mit mir haben wir 0:3 verloren, da war auch nicht gut. Dann kam in der zweiten Partie die Verletzung, zuletzt lief es besser. Wir sind vorne mit dabei, die ersten vier Teams kommen in die Playoffs. Die Liga ist nicht mit der Frauen-Bundesliga zu vergleichen, aber das ist bestimmt keine Operettenliga. Mir bringt das Training viel, zumal ich noch regelmäßig bei den »boys« mitmache - der Coach der Männer war früher bei den Frauen, daher gibt das keine Probleme. Ich habe nicht das Gefühl, dass dieses Engagement für mich ein Rückschritt ist.
Wie viele Zuschauer kommen in der australischen W-League?
Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass hier kaum einer kommt. Meine Mitspielerinnen wiederum dachten, ich hätte in Deutschland immer vor 10 000, 15 000 Zuschauern gespielt, weil sie das von der Frauen-WM 2011 so kannten. Beim ersten Spiel waren rund 1200 Leute da, beim zweiten ähnlich viele. Und es gab eine landesweite Liveübertragung. Wir haben leider nur kein festes Stadion, in dem wir spielen.
Die Saison in Australien läuft bis Februar. Wo führt das Engagement in der US-amerikanischen Profiliga NWSL Sie hin?
Ich darf es immer noch nicht sagen, weil der Vertrag nicht unterschrieben und es noch nicht ganz sicher ist. Aber mein neuer Verein wird es im Januar bekanntgeben. Es wird lustig - so viel kann ich verraten.
Erwägen Sie, vielleicht später ganz nach Australien überzusiedeln?
Ich habe darüber echt mal nachgedacht, aber das ist es nicht, weil es einfach zu weit weg von allem ist. Klar, kann man hier schnell nach Bali oder auf die Fidschi-Inseln fliegen, aber ich hänge doch zu sehr an der Kultur in Europa. Man ist hier irgendwie doch am Arsch der Welt.
Am 13. Januar werden bei der FIFA in Zürich die besten Fußballer und Fußballerinnen der Welt gekürt. Kommen Sie für diesen Termin?
Ja, aber ich werde versuchen, die Tage weiter in der australischen Zeit zu leben. Ich war eigentlich hin- und hergerissen, fand es dann cool, dass der Verein sofort gesagt hat, ich solle da hinfliegen.
Was würde Ihnen bedeuten, zur Weltfußballerin gewählt zu werden?
Ich fahre da völlig neutral hin. Mit mir stehen Marta und Abby Wambach zur Wahl, für mich ist das schwer einzuschätzen. Ich würde mich natürlich riesig freuen, aber ich wäre auch nicht enttäuscht, wenn es nicht so kommt. Zumal die Kriterien ja nicht klar sind, an denen unsere Leistung festgemacht wird. Und wie will man eigentlich eine Torhüterin und eine Torjägerin vergleichen?
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