Ein Föhn für den Weinberg
In Rheinland-Pfalz sollen künftig spezielle Windräder eingesetzt werden, um Weinreben vor Frost zu schützen
Hagelflieger, Hubschrauber gegen Bodenfröste - die Winzer in Rheinland-Pfalz lassen sich einiges einfallen, um der Natur ein Schnippchen zu schlagen. In Duttweiler in der Pfalz gehen sie jetzt noch einen Schritt weiter. Dort werden in einem Weinanbaugebiet derzeit neun spezielle Windräder installiert. Die liefern aber keinen Strom und laufen nur dann an, wenn es knackig kalt wird. Die Rotoren verwirbeln wärmere Luft aus oberen Luftmassen mit der eisigen Luft am Boden und sollen so Bodenfrost verhindern.
Frostschutzräder in Weinbergen sind überall auf der Welt zu finden - in Kalifornien und Neuseeland ebenso wie in Frankreich. In den USA gelte dies als Stand der Technik, ohne die Methode sei der Weinbau dort gar nicht mehr vorstellbar, sagt Weinbauexperte Jürgen Oberhofer vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. Doch in Deutschland gebe es bisher noch kein einziges Frostschutzwindrad an einem Weinberg.
Die Technik hat sich hierzulande nicht durchgesetzt, weil die Frostgefährdung in den Weinbauregionen vergleichsweise niedrig ist. Doch jetzt gab es aber zwei Jahre hintereinander Nachtfröste im Mai mit teils erheblichen Folgen für die Weinbauern. Schon minus ein, zwei Grad reichen aus, um einen Totalschaden zu verursachen. Hinzu komme, dass die Weinstöcke durch den Klimawandel immer früher austrieben und die Gefahr dadurch steige, sagt Oberhofer.
Um wärmere Luft zum Boden zu wirbeln, wurden in Deutschland bislang Hubschrauber verwendet. Doch im Notfall sei nicht garantiert, dass sie auch verfügbar seien, sagt Oberhofer. Außerdem hätten sie normalerweise keine Nachtfluggenehmigung. Wenn die Temperaturen schon nachts um 2 oder 3 Uhr auf Minusgrade fielen, sei der Schaden bis zur Dämmerung längst da und die kreisenden Hubschrauber könnten um 5 Uhr morgens auch nichts mehr ausrichten.
Im Ausland wurden die Hubschrauber sehr schnell durch Windräder ersetzt. Dass diese die Landschaft verschandelten, sei nicht zu befürchten, sagt Oberhofer. Die Frostschutzräder fielen weniger auf als ein Strommast. Sie seien gerade einmal 20 Meter hoch und nicht 100 Meter wie Windräder zur Energieerzeugung. Dafür kostet der Betrieb etwas, denn Frostschutzräder müssen mit Strom oder Gas betrieben werden. Die Rotoren laufen rasend schnell, schließlich sollen sie viel warme Luft nach unten pumpen.
Die Anschaffung ist teuer: 30 000 Euro kostet ein solches Windrad, das aus Übersee exportiert werden muss. Es kann fünf Hektar Weinanbaufläche vor Frost schützen. Dennoch lohne es sich, meint Oberhofer. Allerdings sei eine solche Investition nur in der Gemeinschaft möglich.
In Duttweiler, einem Ortsteil von Neustadt/Weinstraße, hat sich eine solche Gemeinschaft gebildet. Ihr gehören rund 30 Betriebe aus dem Ort und mehreren Nachbargemeinden an, sagt der Vorsitzende Reinhard Bossert. Die Investitionskosten von mehr als 300 000 Euro trügen alle Mitglieder gemeinsam. Dafür seien rund 45 Hektar Weinanbaufläche in Zukunft vor eisigen Temperaturen im Frühling geschützt. Die Maifröste haben die Winzer in den vergangenen Jahren einiges gekostet. Seit dem Jahr 2000 habe es in dem Anbaugebiet dreimal einen Totalausfall durch Frost gegeben, sagt Bossert. Einmal war auch sein Weingut betroffen. Mit hohen Betriebskosten sei nicht zu rechnen, meint der Winzer. Die mit Gasmotoren betriebenen Windräder liefen nur bei Bedarf und dann auch nur für zwei, drei Stunden.
Auch Oberhofer ist sicher, dass die Technik Weinberge vor Maifrösten schützen kann. Das liegt an der typischen Luftschichtung: Während am Boden leichte Minusgrade herrschen, ist es in zehn Metern Höhe bis zu zehn Grad warm. dpa/nd
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