Henkel soll Ruhegehalt von Heinrich Lummer prüfen
Ex-Innensenator und -Abgeordnetenhauspräsident ist seit Jahren als »Ehrenpräsident« eines extrem rechten Vereins aus Hamburg aktiv
Im Logo des Vereins »Die Deutschen Konservativen« prangt das Brandenburger Tor. Die obskure Kleinstgruppe um den Hamburger Journalisten Werner-Joachim Siegerist, die auch immer wieder mal erfolglos zu Wahlen antritt, hetzt seit Mitte der 80er Jahre auf dem Rechtsaußen-Flügel gegen alles, was vermeintlich links ist: Gegen Sozialdemokraten, Grüne und natürlich auch die Linkspartei. Bekannt sind überdies auch antiziganistische und antisemitische Ausfälle, aufgrund deren der Vereinsvorsitzende Siegerist häufiger vor Gericht landete. So wurde der Vereinsvorsitzende beispielsweise wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte deshalb bereits 1995 in seinem Bericht die »Deutschen Konservativen« als »rechtsextrem« dar.
Als »Ehrenpräsident« des Vereins fungiert seit vielen Jahren, auch auf der Website, der ehemalige Berliner Innensenator und Abgeordnetenhauspräsident Heinrich Lummer (CDU). Der Piratenabgeordnete Oliver Höfinghoff wollte deshalb vom amtierenden Innensenator Frank Henkel (CDU) wissen, welche Erkenntnisse ihm zu der »rechtsextremen« Vereinigung vorliegen. Und wie der Senat den Umstand beurteilt, dass Lummer als »Ehrenpräsident« des Vereins auftritt. Außerdem wollte Höfinghoff wissen, ob der rot-schwarze Senat die Mitgliedschaft eines ehemaligen Senators in einem »rechtsradikalen Zusammenschluss« als einen Grund sehe, weswegen diesem das Ruhegehalt versagt werden könne.
In seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage räumt Innensenator Frank Henkel diese Möglichkeit ein: »Die aktive Betätigung in einer rechtsextremen Organisation kann grundsätzlich ein Dienstvergehen darstellen.« Auch eine Pflicht zur Distanzierung von rechtsextremen Kreisen kann bestehen, wenn eine dem Disziplinarrecht unterliegende Person in deren Nähe gerät. »Im Falle schwerer Dienstvergehen« und dem Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, so Henkel, kann theoretisch sogar das Ruhegehalt aberkannt werden.
Ob diese Situation im Fall Lummer zutrifft, hat Henkel allerdings nicht geprüft. »Da in Berlin keine Strukturen der ›Deutschen Konservativen e.V.‹ bekannt sind, können Bewertungen dieses in Hamburg ansässigen Vereins nur durch die zuständige Sicherheitsbehörde des betroffenen Landes oder gegebenenfalls bei überregionalen Strukturen durch die zuständige Sicherheitsbehörde des Bundes vorgenommen werden.«
Auf eine Anfrage des »nd« beim Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg zu den »Deutschen Konservativen« erklärte ein Sprecher, dass der Verein nicht in den Berichten der vergangenen Jahre erwähnt wurde. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Gruppe unterdessen nicht mehr auf dem Schirm. »Die Deutschen Konservativen werden zurzeit nicht beobachtet«, erklärt eine Sprecherin der Bundesbehörde gegenüber dieser Zeitung.
Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts sind die »Deutschen Konservativen« seit vielen Jahren bekannt. »Der Verein versucht, sich als Bindeglied zwischen Ultrakonservativen und der extremen Rechten darzustellen.« Und: »Ideologisch gesehen handelt es sich um eine extrem rechte Vereinigung«, betont der Experte. Politisch, inhaltlich und personell spiele der Verein aber immer weniger eine Rolle. Vielmehr ist die Organisation, die sich mit Heinrich Lummer schmückt, in den vergangenen Jahren »immer mehr zu einem Spendenverein von Herrn Siegerist« verkommen, sagt Krebs.
Mit Heinrich Lummer selbst kann man indes nicht mehr über seine »Ehrenpräsidentschaft« sprechen. Seit 2003 ist der ehemalige Innensenator wegen eines Schlaganfalls stark im Sprechen eingeschränkt. »Mit Reden halten und Interviews geben ist es nicht mehr«, heißt es zu einer Anfrage bei den »Deutschen Konservativen«. Der 81-Jährige sei zwar weiter »Ehrenpräsident«, aber auch als Autor in die Publikationen bringe er sich nicht mehr so wie früher ein. »Er ist sehr stark eingeschränkt, und darauf nehmen wir Rücksicht.«
Piraten und Grünen im Abgeordnetenhaus plädieren jetzt dennoch für eine Prüfung des Ruhegehaltes von Lummer, der vielen in der Hauptstadt noch wegen seiner unrühmlichen Rolle 1981 beim Tod des Hausbesetzers Klaus-Jürgen Rattay während einer Demonstration im Gedächtnis ist. »Zumindest die Einstellung des Ruhegehaltes muss juristisch geprüft werden«, fordert der Fraktionschef der Piraten, Oliver Höfinghoff gegenüber »nd«. Er wirft Henkel überdies vor, erneut wie im Fall des burschenschaftlichen Staatssekretärs Michael Büge eine »Vermeidungsstrategie« zu fahren.
Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, sieht Aufklärungsbedarf: »Innensenator Frank Henkel ist dringend aufgefordert, die Zwecke dieses Vereins zu prüfen.« Konsens müsse sein, so Lux, dass »wir keine Personen unterstützen und haben wollen, die in rechtsextremen Vereinen aktiv sind«.
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