Göring-Eckardt will Grüne bis 2017 doppelt so stark machen

Parteitag: 800 Delegierten diskutierten in Berlin stundenlang über Konsequenzen aus dem 8,4-Prozent-Wahlergebnis

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Mitten im Ringen um programmatische Neuausrichtung hat Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ihre Partei auf einen Wachstumskurs eingeschworen. »Die nächsten vier Jahre, da geht es um eine Sache zwischen den Wählern und uns, da geht es darum, unser Ergebnis zu verdoppeln«, sagte sie am Samstag beim Parteitag in Berlin. Die 800 Delegierten diskutierten stundenlang über Konsequenzen aus dem 8,4-Prozent-Wahlergebnis.

Zuletzt seien die Grünen »viel zu sehr in der Spur« gewesen und hätten zu wenig mitbekommen, was daneben passiert», sagte Göring-Eckardt. Jetzt dürften sie sich nicht in die «Schmollecke» zurückziehen. Auch Gesprächen mit der Linken dürfe sich die Partei nicht generell verschließen, forderte die Fraktionsvorsitzende. Dafür müsse Linksfraktionschef Gregor Gysi seine Partei aber erst zum Erwachsenwerden treiben und regierungsfähig machen.

Der hessische Fraktionschef Tarek Al-Wazir betonte: «Wir dürfen nie wieder Wahlkampf mit dem Holzhammer machen.» Eigenständigkeit könnten die Grünen nicht beschließen, «die muss man als Haltung haben». Das bedeute auch, nüchtern mit allen zu reden und auszuloten, wo es Übereinstimmungen gebe.

Auch der neue Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter forderte neue Gestaltungs- und Machtoptionen: «Wir haben drei Mal Rot-Grün probiert. Drei Mal hat es nicht funktioniert.» Unter dem Jubel der Delegierten forderte er, die Grünen müssten sich stark machen für den ökologischen Umbau der Wirtschaft, einen solidarischen Freiheitsbegriff und mehr Gerechtigkeit.

Die scheidende Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke meldete Zweifel am Erfolg des angestrebten Öffnungskurses der Grünen an. Die Partei sehe sich bald wohl als kleinste Oppositionskraft einer großen Koalition gegenüber und habe dann eine scharf auftretende Linkspartei neben sich. «Wir öffnet man sich da eigentlich in Richtung Angela Merkel und gleichzeitig in Richtung Linkspartei?» Dies sei nicht einfach zu erklären.

Die bayerische Fraktionschefin Margarete Bause forderte, auch aus der Opposition heraus gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben. Das sei eine Zukunftsaufgabe. «Es ist unser Erfolg, wenn mittlerweile sogar (CSU-Chef) Horst Seehofer grüne Positionen übernimmt.»
Eine Delegierte aus Schleswig-Holstein kritisierte, die Grünen hätten mit ihren Steuererhöhungsplänen viele Wähler verprellt. Die Partei werde wegen ihrer «oberlehrerhaften Attitude» bei Steuern und «Veggie-Day» als «Spaßbremse» wahrgenommen.

Am Nachmittag wollten die rund 800 Delegierten über den neuen sechsköpfigen Parteivorstand und den Parteirat entscheiden. Als Vorsitzende stellen sich der amtierende Parteichef Cem Özdemir und die frühere saarländische Umweltministerin Simone Peter zur Wahl. Kurzfristig meldete sich ein dritter Kandidat, der Essener Delegierte Thomas Austermann. Er tritt gegen Özdemir an, gilt aber als chancenlos. Mit Spannung wurde der Ausgang der Wahl zum Parteirat erwartet. Mit der Kandidatur unter anderem des baden-württembergischen Landwirtschaftsministers Alexander Bonde versuchen die Länder, ihren Einfluss in diesem Führungsgremium zu verstärken.

Die bisherige Parteichefin Claudia Roth hatte nach der Bundestagswahl angekündigt, nicht wieder anzutreten. Sie will Bundestagsvizepräsidentin werden. Auch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke tritt nach elf Jahren ab. Für das Amt hat sich Michael Kellner beworben. Die Grünen hatten bei der Wahl am 22. September nur 8,4 Prozent erreicht, 2009 kamen sie auf 10,7 Prozent. dpa/nd

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