Streit um syrische Flüchtlinge
Innenminister Friedrich weigert sich, das deutsche Kontingent zu erhöhen
Nordrhein-Westfalen will aus der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ausscheren. Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte am Freitag an, weitere 1000 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen zu wollen. »Ich habe heute Bundesinnenminister Friedrich gebeten, einer entsprechenden Anordnung des Landes Nordrhein-Westfalen das Einvernehmen zu erteilen und erwarte, dass dies schnell geschieht«, erklärte der Minister. Jäger kritisierte, dass die Bundesregierung ihr Kontingent auf lediglich 5000 Flüchtlinge begrenzt habe. Nordrhein-Westfalen wird davon 1060 Personen aufnehmen, will nun die Anzahl jedoch nahezu verdoppeln. Die Situation in Syrien spitze sich täglich zu, begründete Jäger seinen Vorstoß. »Wir müssen jetzt helfen«. Er appellierte an seine Amtskollegen, dass alle Bundesländer ihren Beitrag leisten müssten.
Friedrich wies die eindringlichen Worte Jägers am Samstag umgehend zurück. Deutschland nehme bereits jetzt mehr syrische Bürgerkriegsflüchtlinge auf als andere EU-Staaten. Zu den 5000 Flüchtlingen kämen noch weitere 45 000 Syrer hinzu, die bereits in Deutschland lebten, erläuterte Friedrich. Über dieses Kontingent hinaus habe er den Bundesländern jedoch frei gestellt, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, wenn sie in Deutschland Angehörige haben, die für ihren Unterhalt aufkommen. »Schön, dass auch Herr Jäger sich entschlossen hat, von unserer Regelung Gebrauch zu machen«, erklärte Friedrich und versicherte, Jägers Angebot wohlwollend prüfen zu wollen.
Druck auf die Bundesregierung übte auch die Linkspartei aus. Die von Deutschland zugesagte Aufnahme von 5000 Flüchtlingen sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagte Katja Kipping am Sonntag anlässlich des Weltfriedenstags. Die Bundesvorsitzende der LINKEN forderte angesichts der schlimmen Zustände in den Flüchtlingscamps, dass Europa mehr Syrier aufnehmen sollte.
Schätzungen zufolge sind derzeit rund sieben Millionen Syrer und damit mehr als ein Drittel der Bevölkerung auf Hilfe angewiesen. 4,25 Millionen Menschen sind innerhalb ihres Landes auf der Flucht, 1,9 Millionen Syrer haben zudem jenseits der Grenzen Zuflucht gesucht. Die meisten von ihnen leben in den Nachbarstaaten in Camps.
Ein drohender Militärschlag gegen die Regierung in Damaskus hat zu einem neuerlichen dramatischen Anstieg des Flüchtlingsstroms geführt. Ein Angriff der USA würde nach Einschätzung von Annette Kohlmeier, Rotkreuz-Koordinatorin in Damaskus, das Leid der Bevölkerung noch weiter verschlimmern. Am Wochenende hat die syrische Armee damit begonnen, ihre Einheiten gezielt in Wohngebiete zu verlegen.
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