Kein Asyl für Snowden: beschämend

Tom Strohschneider über die Entscheidung, dem Whistleblower die Zuflucht zu verweigern

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Als besonders gastfreundlich für Menschen, die aus politischen Gründen Zuflucht suchen, ist die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren nicht aufgefallen. Die Begründung, mit der die Behörden jetzt dem Enthüller des seit Jahrzehnten größten Geheimdienstskandals einen sicheren Aufenthalt verweigern, passt ganz in dieses Bild: Hauptsache der Fall Snowden, der in Wahrheit ein Fall der Geheimdienste, der Grundrechte und der zwischenstaatlichen Beziehungen ist, wird nicht zu einem deutschen Problem. Wobei als deutsches Problem vor allem betrachtet wird, was der Regierung ein wenig Rückgrat abverlangt hätte: eine eigene, von politischen Werten gestützte Position zu vertreten.

Stattdessen Rückzug hinter die bürokratische Linie: Die Voraussetzungen für eine Aufnahme Snowdens lägen nicht vor, haben deutsche Regierungsstellen in dürren Worten ihre Entscheidung begründet. Formal mag das vielleicht für die Frage richtig sein, dass sich der 30-Jährige auf deutschem Boden befinden müsse, um Asyl zu beantragen. Doch dafür hätte eine Lösung gefunden werden können, aufenthaltsrechtliche Regelungen gibt es - allerdings wäre dazu eine Entscheidung nötig gewesen, die sich an Werten und an der Tatsache orientiert, dass mit der bekannt gewordenen Ausspähung durch US- und britische Geheimdienste ein Maß überschritten ist, das nicht von wildgewordenen Datenschützern oder einer bösen Opposition bestimmt wird, sondern von der Verfassung, auf welche auch diese Regierung verpflichtet ist.

Der Bundesinnenminister weiß das in Wahrheit ja auch. Er glaube, hat Hans-Peter Friedrich noch am Dienstag erklärt, dass die Frage der Zuflucht für Snowden „am Ende ... möglicherweise eine politische Frage sein“ wird. Genau. Was auch heißt, die Berliner Administration hätte eine Wahl gehabt. Wenige Stunden später, ein Telefonat zwischen den Außenministern der Bundesrepublik und der USA lag dazwischen, kam die Absage an Snowden. Auf beschämendere Weise kann eine Regierung kaum zeigen, wie wenig sie sich für die vom massenhaften Ausspähen der Nachrichtendienste ausgehöhlten Grundrechte ihrer Bevölkerung interessiert - und wie groß stattdessen ihr bündnispolitischer Opportunismus ist.

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