Schülerinnen wegen Cybermobbings verurteilt
15-jährige Schwedin erhält Haftstrafe, weil sie zu Beleidigungen im Internet aufrief
In der westschwedischen Metropole Göteborg riefen zwei Schülerinnen anonyme Nutzer dazu auf, ihr Internetkonto im sozialen Bilderforum Instagram im Internet zu nutzen, um andere Schülerinnen zu beleidigen. »Wir wollen wissen, welche Mädchen in Göteborg Huren und Schlampen sind und es mit jedem machen. Schickt eure Tipps, Kommentare und Fotoaufnahmen«, so der wirkungsvolle Aufruf einer 15-Jährigen und einer 16-Jährigen im Dezember auf Instagram, der Internetseite, die bei schwedischen Teenagern inzwischen populärer als Facebook ist.
Viele folgten diesem im Aufruf. Wie auf dem mittelalterlichen Pranger eines Dorfplatzes wurden rund hundert Jugendliche, zumeist Mädchen, auf der Seite mit ihren Namen, Fotos und vulgären Kommentaren anonym erniedrigt.
»Ich traute mich wochenlang nicht mehr aus dem Haus. Sie schrieben, wenn ich Schnaps trinke, spreize ich meine Beine für jeden älteren Kerl«, sagte ein Mädchen zur Prozesseröffnung gegen die 15- und 16-jährige Anfang Juni dem öffentlich rechtlichen Radiosender SR.
Im Internetpionierland Schweden hat Facebook und dessen Instagram-Forum schon eine viel weitergehende Bedeutung für Identität und Status nicht nur von jungen Menschen als in anderen Ländern. Es kam sogar zu gewalttätigen Ausschreitungen und Demonstrationen vor zwei Göteborger Gymnasien aufgrund der Verleumdungsseite. 27 Jugendliche mussten bei den Aufläufen kurzfristig von der Polizei festgenommen werden.
Am Dienstag wurden die beiden Mädchen zu überraschend harten Strafen verurteilt. Beide wurden wegen »grober Verleumdung anderer in Text und Bild im sozialen Netzwerk Instagram« schuldig gesprochen. Die 16-Jährige hatte zu Prozessbeginn erfolgreich beantragt, dass der ganze Prozess hinter verschlossenen Türen abgehalten werden sollte. Einzelheiten über Motive der beiden Mädchen und den Prozessverlauf sind deshalb nicht bekannt. Die 15-Jährige hatte ihre Teilschuld frühzeitig gestanden und belastete ihre Kumpanin als mitschuldig. Sie muss für unbekannte Zeit ins Jugendgefängnis. Die 16-jährige verneinte ihre Schuld bis zum Schluss, wird aber dennoch zu 45 Stunden Jugendstrafdienst verurteilt. Zudem müssen beide Schülerinnen zusammen 570 000 Kronen (65 000 Euro) an die 38 Opfer, die am Prozess teilnahmen, zahlen. Das Urteil für Verleumdung im Internet gilt im sonst gerade bei jugendlichen Straftätern auf Humanität betonten Rechtswesen Schwedens als ein Präzedenzfall. Die Reaktionen waren nahezu ausschließlich positiv. »Es ist schön zu wissen, dass es auch im Netz Gerechtigkeit gibt«, sagt Ebba Alkehag, eines der klagenden Opfer. »Ich musste mein Selbstwertgefühl erst wieder neu aufbauen und hoffe, dass es jetzt überstanden ist und ich wieder so sein kann, wie ich war«, sagt sie.
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