Ohne Zuhause, aber nicht allein

Viele Helfer haben Rosemarie F. bis zum Schluss begleitet

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Tod von Rosemarie F. trifft sie vielleicht am härtesten: Die Menschen, die sie in den letzten Wochen vor ihrem Tod kennen gelernt haben. Grischa Dallmer ist einer von ihnen. Er war bei der Demo gegen die Zwangsräumung am Dienstag dabei, in seiner WG ist Rosemarie F. am Abend danach untergekommen. „Obwohl sie sehr verstört war, ist sie sehr klar gewesen“, erzählt er. Um auf andere Gedanken zu kommen, habe sie Erich Fromm gelesen, den Mitbewohnern sogar eine Mahlzeit gekocht. Aber sie weinte auch, meinte, der Verlust ihrer Wohnung sei das Ende. „Sie schwankte zwischen Verzweiflung und Wünschen für die Zukunft hin und her“, erzählt Dallmer. Ihr letzter Traum: In einem Kibbuz in Israel zu leben. Rosemarie F. gehörte der jüdischen Religion an.

„Ich wusste, dass ihr Zustand kritisch ist“, meint der Helfer. „Ich hätte aber nie gedacht, dass es so schnell geht.“ Auch Dominic Grasshoff, der der Initiative „Zwangsräumung verhindern“ angehört und die Wärmestube eingerichtet hat, in der die 67-Jährige ihre letzten Stunden zubrachte, ist erschrocken. Seine hilflosen Posts auf Facebook erzählen von dem schnellen gesundheitlichen Verfall. Für Mittwoch morgen sei ein Arztbesuch geplant gewesen, aber die Seniorin wollte erst ihre Kräfte sammeln. Wenig später war es zu spät.
„Zwangsräumung verhindern“ bezeichnet sie mittlerweile als Teil der Initiative. Vor einigen Wochen tauchte sie plötzlich auf, suchte von da an den Kontakt. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sie vorher „völlig isoliert“ gewesen sei, meint Dallmer, der sich selbst eher lose an den Aktionen der Initiative beteiligt. Die Institutionen, wie das Sozialamt, lehnte Rosemarie F. ab, fühlte sich bedroht.

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