Pandoras syrische Büchse
Roland Etzel über Syrien und die EU
Die westlichen Staaten haben wenig Freude an den von ihnen zu Repräsentanten der syrischen Opposition auserkorenen Personen. Kritische Intellektuelle in Syrien selbst lässt man links liegen; nicht zuletzt weil sie erklärte Verfechter eines auch künftig säkularen Syrien und deshalb bei den Großsponsoren der Anti-Assad-Front in Katar und Saudi-Arabien ohne Chance sind. Und mit den aktuellen Oppositionsführern ist vielleicht viel Krieg, aber wenig Staat zu machen. Jüngstes Beispiel: Muas al-Chatib. Erst vor vier Monaten zum Chef der Exilopposition gekürt, trat Chatib nun »bitter enttäuscht vom Westen« zurück.
Der Mann ist ungerecht. Bei Lichte besehen ist ein Erpressungsversuch von ihm gescheitert, und das verkraftet er nicht. Es mangelt offensichtlich an Politikfähigkeit. Dass Europa - und die USA - Chatib nicht zu Willen waren, sollte man schätzen. Selbst gegenüber Assad kritisch eingestellte Akteure des Kriegsschauplatzes Syrien werden aufgeatmet haben, da sowohl der neue US-Außenminister Kerry als auch die Mehrheit seiner EU-Kollegen dem Ansinnen Chatibs widerstanden, den Raketenschild an der türkischen Grenze auf Syrien auszudehnen. Das hätte den Krieg unweigerlich auf eine sehr viel höhere Intensitätsstufe gehoben. Und die EU respektive Deutschland wäre Kriegspartei.
Mag sein, dass Chatib das in Kauf nimmt. Berlin sollte dies nicht tun und tut es auch nicht. Bis jetzt. Pandoras syrische Büchse bleibt erst einmal zu. Es ist nicht alles schlecht an Wahljahren.
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