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Bauer sucht Gas
Gus Van Sants »Promised Land«
Beim »Fracking« genannten Verfahren zur Erdgasgewinnung wird ein Cocktail aus Wasser und hochpotenten Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst. Dort soll das Gebräu uralte Strukturen aufweichen, damit der wertvolle Rohstoff entweichen kann. Nach einer ähnlichen Methode sickern in Gus Van Sants Umweltdrama »Promised Land« zwei Abgesandte eines Gasmultis in eine Kleinstadt ein. Ihr Ziel ist die Aufbrechung und Entsolidarisierung einer Farmergemeinschaft. Ihr Rohstoff ist das Geld. Die bei den Bauern freizusetzende Ressource ist die Gier.
Die beiden Agenten bewegen sich in einer Welt, in der es normal ist, Dörfer zu »kaufen«, sprich: eventuelle lokale Widerstände mit Cash aus dem Weg zu räumen. Jedes Kaff hat dabei seinen Preis und der ist das Kriterium für die firmeninterne Wertschätzung des Verführers. Keiner lässt Sorgen um eine mögliche Bedrohung der eigenen Scholle durch ungeprüfte Chemiekeulen billiger verschwinden als der von Matt Damon dargestellte Steve Butler.
Butler ist der bodenständige Junge von nebenan, was Damon entgegenkommt, schließlich ist es sein Leib- und Magencharakter. So wie der Schauspieler, muss sich auch der Protagonist nicht verbiegen, wenn er für die Gas-Deals in die durch Routine perfektionierte Rolle des verständnisvollen Kumpels schlüpft. Schließlich stammt er selber aus einer zerstörten Farmer-Community. Sein Trumpf: Lange Zeit glaubte er das Märchen von den klamme Kommunen rettenden Großkonzernen selber. Dumm nur, wenn er vergisst, die Kassenzettel von seiner frisch angeschafften Hinterwädler-Verkleidung zu entfernen.
Damon, der auch als Autor und Produzent verantwortlich zeichnet, wollte ursprünglich einen Film über die Identitätssuche US-Amerikas drehen, das Gas-Thema sei spät und eher zufällig integriert worden. Es drängte sich dann aber wohl auch darum geradezu auf, weil die durch »Fracking« mögliche Erschließung teurer Ressourcen auf eigenem Grund und Boden Assoziationen zu einem starken Gründungsmythos der USA weckt: dem Goldrausch. In einen solchen verfällt ein stolzer Farmer nach dem anderen - bis sich ein kompetenter Wutbürger querstellt. Und dann taucht auch noch ein dreister Umweltaktivist auf.
Van Sants Film ist gefällig fotografiert, in bezaubernden Standbildern huldigt er dem ländlichen, mit dem Sternenbanner gepflasterten Amerika. Der Film unterhält und vermag an einigen Stellen auch zu berühren - mit einer raffinierten Wendung kurz vor Schluss sogar zu verblüffen. Was ihn schwächt, ja die ganze gut gemeinte Botschaft bis zur Unkenntlichkeit verwässert, ist seine Vorhersehbarkeit und ein selbstverordneter, kaum erträglicher Glaube an das Gute, das nach Lesart des Films früher oder später auch in langgedienten Konzernvasallen erwacht.
Auch wird die Taktik der Firma, sich hinter einem sympathischen Naturburschen zu verstecken, vom Film zwar zunächst verdeutlicht. Zum einen aber erscheinen die Konzernlenker angesichts des Volkszorns über lange Strecken unrealistisch hilflos. Zum andern zeigt das erwähnte Versteckspiel im Laufe des Films Wirkung auch beim Zuschauer - wenn man die beiden Einflüsterer ins Herz schließt und geradezu mit ihnen mitfiebert.
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