Schatten auf dem Thüringer Arbeitsmarkt
Die Zahl der Arbeitslosen ist relativ konstant - zu einem hohen Preis
Dass die amtliche Arbeitslosenquote auch in Thüringen längst nicht mehr im zweistelligen Bereich liegt und sich auf einen Wert um acht Prozent stabilisiert hat, gehört zu den aktuellen Erfolgsmeldungen der Arbeitsagentur. Viele Unternehmen beklagen gar einen Fachkräftemangel. Doch eine nähere Betrachtung zeigt: Wo Licht ist, da ist auch viel Schatten. Der Preis, den abhängig Beschäftigte und die Allgemeinheit für rückläufige Arbeitslosigkeit bezahlen, ist sehr hoch.
So melden die Statistiker für den Dezember 2012 eine Arbeitslosenzahl im Freistaat von insgesamt 95 000 und eine Arbeitslosenquote von 8,2 Prozent. Dem stehen nur 13 000 offene Stellen gegenüber. Wer zum Zeitpunkt der Zählung krank war oder sich in Trainingsmaßnahmen, Bürgerarbeit, ABM-Stellen oder vorruhestandsähnlicher Situation befand, taucht überhaupt nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Daher sei davon auszugehen, dass das Heer der Arbeitslosen im Freistaat um 44 000 Menschen stärker sei als offiziell zugegeben, erklärt die beschäftigungspolitische Sprecherin der Thüringer Linksfraktion, Ina Leukefeld.
Leukefeld verweist darauf, dass im Freistaat 178 000 Menschen als arbeitssuchend gemeldet seien, darunter auch viele Menschen, die mit ihrem aktuellen Job unzufrieden seien und dringend eine andere Stelle suchen. Ebenso komme das Problem der um sich greifenden Kurzarbeit in den Erfolgsmeldungen zu kurz. Auch wenn hierzu derzeit noch keine aktuelleren Zahlen vorlägen, sei davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten mehr Betriebe aufgrund von Auftragsmangel die Arbeitszeit reduzieren würden. Im Herbst hatten 199 Thüringer Betriebe für 4300 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet.
Zu den Kehrseiten der Thüringer Arbeitsmarktbilanz gehört für die Parlamentarierin auch die schlechte Bezahlung in vielen Branchen. So seien nur 25 Prozent der Betriebe landesweit überhaupt an einen Tarifvertrag gebunden. Gut 35 Prozent der Arbeitsverhältnisse in Thüringen seien atypisch und prekär, häufig Leiharbeit, befristete Stellen sowie Mini- und Midijobs. Dass zahlreiche Menschen »arm trotz Arbeit seien, ergebe sich auch aus der Tatsache, dass nur ein Drittel der Menschen, die in Thüringen Hartz-IV-Leistungen bezögen, arbeitslos seien.
Ausdruck einer »von Anfang an verfehlten Agenda-Politik« sei zudem die Tatsache, dass die Anzahl der Selbstständigen im Freistaat, die ihre Einkünfte mit Hartz IV-Leistungen »aufstocken« mussten, von 3407 im Jahr 2007 auf 5912 im Jahr 2010 angestiegen sei.
Die seit 1990 registrierte Abwanderung aus dem Freistaat habe sich zwar in letzter Zeit abgeflacht, halte jedoch weiter an. Dem liege vor allem zugrunde, dass viele qualifizierte jüngere Menschen nicht mehr daran glaubten, dass sie in ihrer Heimatregion eine längere gute berufliche Zukunft mit angemessenen Einkommen hätten.
Während manche Unternehmen über einen »Fachkräftemangel« stöhnten, böten gut 75 Prozent aller Thüringer Betriebe überhaupt keine Ausbildungsplätze an. »Wer gute Fachkräfte will, muss ordentliche Löhne zahlen«, ermahnt Leukefeld die Arbeitgeber im Lande. Sie möchte im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 verstärkt für einen gesetzlichen Mindestlohn werben. Auch wenn die von der LINKEN geforderten zehn Euro wohl nicht auf Anhieb durchsetzbar seien, dürfe der Satz »auf keinen Fall unter der Schwelle von 8,50 Euro liegen«, betont die Abgeordnete.
Weitergehende Alternativen für gute und existenzsichernde Arbeit sollen im April in Erfurt bei einer Konferenz mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutiert werden. Dazu gehören nach Angaben Leukefelds die Förderung von Genossenschaften sowie ein Öffentlicher Beschäftigungssektor mit nicht profitorientierten Arbeitsplätzen etwa in den Bereichen Jugend, Pflege, Senioren oder Kultur.
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