Merkels Maske

Als Steffen Seibert noch beim ZDF war, war er ein Inbegriff der Seriosität. Zur besten Sendezeit trug der Schwarm aller Schwiegermütter Nachrichten vor und befragte Politiker, als Anchorman, wie es heute heißt. Seibert war ein öffentlich-rechtliches Aushängeschild, das mindestens in jedes zweite Wohnzimmer leuchtete.

Dieses Image hat sich Angela Merke eingekauft, als sie Seibert zum Regierungssprecher machte. Ihre Verlautbarungen sollen wie Nachrichten klingen, wenn er sie in der Bundespressekonferenz vorträgt. Der Seibert-Sound soll Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit vermitteln, sein Gesicht soll Merkels Politik maskieren. Im Seibert-Sound sagt Seibert in seinem neuen Job Dinge, bei denen sich ihm eigentlich alle Haare sträuben müssten. Jüngstes Beispiel: seine Äußerungen zum umstrittenen Armutsbericht der Bundesregierung. Dieser Bericht aus dem CDU-geführten Sozialministerium enthielt in der Erstfassung einige dezente Hinweise auf die sehr ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland. Dann wurde der Text zur so genannten Abstimmung in andere Ressorts geschickt und kehrte aus dem FDP-geführten Wirtschaftsministerium ohne die kritischen Passagen zurück – dafür angereichert um ein Lob auf die zweifelhaftem Arbeitsmarkterfolge im Niedriglohnsektor.

Der Regierungssprecher hatte den Vorgang vor der Hauptstadtpresse zu erklären und formulierte dann im Seibert-Sound: Nun, nach der Abstimmung, liege ein ausgewogener Bericht vor, der ein „realistisches, problembewusstes Bild über Armut und Reichtum in Deutschland zeichnet". Hätte der Journalist Seibert sich früher nicht einigermaßen über einen solchen Regierungssprecher mokiert? Müsste sich nicht wenigstens innerlich der Regierungssprecher Seibert gegen solche Pflichtübungen sperren? Und würden die Fernsehzuschauer einem solchen Mann je wieder eine ernsthafte journalistische Nachricht abnehmen?

Aber zumindest den letzteren Gedanken muss sich Seibert nicht machen. Wenn es einmal mit der CDU-regirung vorbei ist - irgendwo in der Propaganda-Lobbyismus-Industrie wird für ihn sicherlich Verwendung sein.
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal