Werbung

Totenschein für eine Scheintote?

Hubertus Mynarek widerspricht Hans Küng: Die katholische Kirche ist nicht mehr zu retten

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Hubertus Mynarek
Hubertus Mynarek

Rund 130 Jahre, nachdem Friedrich Nietzsche den Tod Gottes kundtat, wird nun der »Tod der Kirche« proklamiert. Die Firma folgt sozusagen ihrem Chef. Künder dieser Kühnheit ist der Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek (83), der sich für sein neuestes Buch von Hans Küng (84) inspirieren ließ.

»Ist die Kirche noch zu retten?«, fragte der in Tübingen lebende Schweizer Theologe Küng im Titel eines 2011 erschienenen Buches. Mynarek eliminierte das Fragezeichen forsch und erklärt, »Warum auch Hans Küng die Kirche nicht retten kann«.

Mit der »Kirche« ist die römisch-katholische gemeint (wobei auch die evangelische bei Mynarek ihr Fett wegkriegt). Während Mynarek diese Kirche 1972 als erster Theologieprofessor im deutschsprachigen Raum verließ (er war Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien), gehört Küng ihr bis heute an. Als innerkirchlicher Kritiker ist Küngs Alibiwert für die Una Sancta kaum zu überschätzen. Das wissen auch die Mainstream-Medien, die den vielfachen Bestseller-Autor gern zu einschlägigen Themen einladen und befragen. Als eine Art »Gegenpapst« stellt er Rezepte aus, die den dahinsiechenden Patienten wieder auf die Beine bringen sollen: Küng wünscht sich eine Kirche ohne Erbsünde, Inquisition und Zölibat, aber dafür mit Frauenpriestern, Laienmitbestimmung und ökumenischem Abendmahl. Das Papsttum soll »im Sinn eines biblisch orientierten Petrusdienstes erneuert werden«. Im Vatikan dürften derlei Träume herzliche Heiterkeit auslösen.

Mynarek erklärt denn auch diese Rezepte zur Makulatur, weil selbst Amputationen und Totaloperationen ohnehin sinnlos seien. Denn: »Der Patient Kirche, den er (Küng) therapieren wollte, ist tot, mausetot, und nicht mehr therapierbar.« Systematisch, präzise und unnachsichtig werden die Rettungskonzepte Küngs als Wunschdenken zerpflückt. Weder die ideologische Vergewaltigung des Evangeliums noch die absolutistische Hybris des Papsttums, weder der Wahnsinnsunsinn des Unfehlbarkeitsdogmas noch das anmaßende Untrennbarkeitskonstrukt von Religion und Kirche können demnach als behebbare Makel betrachtet werden. Sie wirken und wesen als normative Komponenten eines unteilbaren, eines unheilbaren Ganzen, das mit den Schimären von Pomp und Pracht Leben simuliert wie ein an einer Herz-Lungen-Maschine angeschlossener Leichnam.

Mynarek ist nicht nur ein exzellenter Kenner und Kritiker der Kirche, sondern auch ein begnadeter Polemiker, der mit geschliffenem Stil und bestens platzierten Argumenten seine Treffer setzt. Das ist brillant, unterhaltsam, lehrreich und - erschreckend.

Denn die ideologische Basis und das praktische Gebaren, die so in ihrer ganzen Nacktheit des Drangs nach Macht und Mammon entblößt werden, gehören zu einer Institution, die auch in Deutschland nach wie vor in der veröffentlichten Meinung höchste Respektabilität und in Politik und Gesellschaft größten Einfluss genießt. Konstituierend für dieses Paradoxon ist die fortdauernde finanzielle Frischzellenkur, die der römisch-katholischen Kirche (und nicht nur dieser) hierzulande zuteil wird.

Während die Basis schrumpft und Noch-Mitglieder immer weniger Dogmen und Drohungen folgen, hält sich die Kirche am Ruder, weil, wie Mynarek schreibt, »sie auf Grund ihrer Finanzmittel, vor allem der milliardenfachen Zuwendungen seitens des Staates, alle politischen, gesellschaftlichen, medialen, ökonomischen usw. Kanäle und Machtinstrumente intensiv nutzen kann, um trotz ihres Todes auf der Ebene der Wahrheit die verschiedensten Interessengruppen auf der sozialen Ebene massiv zu beeinflussen«. Also doch eher scheintot? Mal abwarten, was Hans Küng dazu meint.

Hubertus Mynarek: Warum auch Hans Küng die Kirche nicht retten kann. Eine Analyse seiner Irrtümer. Tectum-Verlag, Marburg 2012. 239 S., br., 19,90 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -