Griechisches Brodeln

Im prime time theater bebt die Erde / Schweinegetrappel kündigt sich an

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu Verwechslungen kommt es dauernd. Eine »Verstofflichung« großen Ausmaßes gab es bei der Theater-Sitcom »Gutes Wedding, schlechtes Wedding« (GWSW) im prime theater noch nie. Doch jetzt erkennt das polnische Superhirn Pawel als Hobby-Seismologe nahende Gefahr. Die anhaltend negativen Gedanken der Griechen sind in den Boden gedrungen. Das Magma brodelt im oberen Erdmantel unter ihnen.

Wie immer, wenn sich das prime time theater Politik vornimmt, wie sie auf der Straße ankommt, geht es ins Groteske. Griechenland wird sich von Europa abspalten, ein Finanzloch den Kontinent auseinander reißen, fürchtet Pawel. »Das wird schlimmer als Independence Day The Day After Tomorrow!« Vor allem, weil das Beben Wedding nicht verschonen wird. Selbstverständlich will Pawel alle warnen. Doch im Studio von »Wedding TV« bei den arroganten Moderatoren Kron und Zucker redet er sich den Mund fusselig. Warum denken eigentlich alle bei der Erwähnung griechischer Platte immer nur ans Essen? Niemand hört ihm zu.

»Das Erdbeben« bringt in der 81. GWSW-Folge mit Oliver Tautorat, Cynthia Buchheim, Daniel Zimmermann, Robert Speidel, Katharina Bertus und Alexandra Marinescu tatsächlich einige Erschütterungen räumlicher und emotionaler Art mit sich. Pappziegel »rumpeln« auf die Bühne. Betten beben. Einfach und für alle Ereignisse gut gemacht ist dafür das Bühnenbild, das sich mit winzigen Veränderungspausen für unterschiedlichste Szenen eignet. Helfend greift wieder die von der Autorin Constanze Behrends erdachte »Nebenfijur« (Buchheim) ein. Denn obwohl - wie auch bei Katastrophenfilmen üblich - Orte und Zeiten filmisch eingeblendet werden, stoppt sie das Stück und weist sicherheitshalber darauf hin, dass das Gerüttel im Folgenden jeweils der Beginn des Bebens ist. Am Ende wühlen sich auch die Wedding-TV-Moderatoren durch ihr zertrümmertes Studio. Mit Verve wird das alles gespielt.

Einige GWSW-Figuren lässt die Autorin etwas verlieren, andere etwas gewinnen. So wird das Hirn des egozentrischen Möchtegernkünstlers Claudio Fabriggio derart durchgeschüttelt, dass er als Prenzlwichser wieder Ideen für seine unsäglichen Performances empfängt. In Onkel Ahmeds Dönerbude gibt es eine Überraschung. Und intelligent gemacht ist, wie Ronja auf einem Schachbrett eine Botschaft für ihren Pawel hinterlässt. Nur durch ihn entgeht sie dann knapp einer Zwangsheirat durch Pfarrer Horwardt in Haßleben.

Das westlich uckermärkische Haßleben spielt in der überarbeiteten Folge »Alle Jahre wieder« ab Ende November in Wedding erneut eine große Rolle mit dem von Autorin Behrends erdachten traditionellen Schweinerennen gegen den Nachbarort Kaakstedt. »Tja Schweinerennen gab es hier tatsächlich mal. War nach der Wende aus Amerika herübergeschwappt bis die Tierschützer es stoppten«, erzählt Bürgermeister Bernhardt Rengert am Telefon. Mit Kaakstedt verbinde seinen 215,93 Quadratkilometer großen Verwaltungsbereich Boitzenburger Land mit 4011 Einwohnern in zehn Ortsteilen aber amtstechnisch nichts. Nur eine Straße.

Das prime time theater und dessen erfundene Haßlebener kennt Rengert noch nicht, obwohl er ab und an in die Hauptstadt fährt, um Theater zu sehen. Als Bürgermeister ist er auch oberster Kulturmann im Boitzenburger Land. Chefsache wie in Berlin. Neugierig geworden wünscht er: »Wir würden die Schauspieler gerne hier begrüßen. Wir haben viel mehr zu bieten als Haßleben.«

Im dortigen Gasthof »Zum Rasselbock« sind GWSW und der darin agierende katholische Kirchenmann Horwardt auch unbekannt. Das müsse ein Irrtum sein, das wolle sie sehen, meint die Wirtin ungläubig. In Haßleben gebe es gar keinen Pfarrer. Na Gott sei Dank, kann man dazu nur sagen, wenn man an den guten Gottlieb denkt.

Do.-Mo., 20.15 Uhr, »Das Erdbeben« bis 25.11.; »Alle Jahre wieder« ab 30.11., prime time theater

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