Die US-amerikanische Bundespolizei FBI geht den Spuren der 19 Männer nach, die die vier Attentatsflugzeuge vom vergangenen Dienstag entführt und zum Absturz gebracht haben sollen. Dabei ergeben sich bisher mehr Fragen als Antworten.
Laut FBI sind die Identitäten der 19 Männer, die für den Tod Tausender von Menschen verantwortlich sein sollen, wohl bekannt. Entsprechende Informationen mit eher vagen Angaben über den Ermittlungsstand gab die amerikanische Polizei bereits am Freitag an ihre deutschen Kollegen sowie an den Hamburger »Spiegel« und die »New York Times« weiter. Die meisten mutmaßlichen Selbstmord-Attentäter stammten aus Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie waren zwischen 21 und 40 Jahren alt, manche waren verheiratet, manche hatten Kinder. Ein Großteil von ihnen hielt sich vor dem Anschlag in Florida auf, wo einige Flugschulen besucht hatten. Und so weiter, und so fort.
Die Medien überschlagen sich mit Spekulationen und Eigenrecherchen - und doch ergibt sich kein klares Bild. Denn bislang konnte das FBI keinen einzigen Beweis für eine tatsächliche Täterschaft auch nur eines der Männer erbringen. Die Veröffentlichung der 19 Namen mit einigen biografischen Details durch das FBI ist denn auch als erster Versuch zu werten, schnelle »Ergebnisse« vorzuweisen, und Teil der Informationspolitik der Behörde. Die Ermittlungen erfolgen unter dem Codenamen »PENTTBOM« und dem Siegel der »nationalen Sicherheit«. Justizminister John Ashcroft nannte sie »die größte Einzeluntersuchung in der Geschichte der USA«. Mehr als 7000 FBI-Beamte arbeiten an der Aufklärung.
Am Montag lag die Zahl der Hinweise per Telefon und Internet bereits bei fast 60000. Große Teile der USA-Bevölkerung sind von dem medialen Dauerfeuer über die »islamische Gefahr« so aufgewühlt, dass es seit Dienstag zu Hunderten von Gewalttaten gegen vermutete Muslime und Araber kam. Bekannt sind bisher zwei Mordopfer, von »patriotischen« Amerikanern verübt. Zwischenfälle wurden aus verschiedenen Bundesstaaten gemeldet. Die Gruppe »Council on American-Islamic Relations« in Washington teilte mit, dass sie seit den Anschlägen mehr als 300 Übergriffe gegen Muslime in den USA registriert habe. Dies seien bereits halb so viel wie im gesamten vergangenen Jahr. Überall im Lande würden Muslime angespuckt und beleidigt.
Dabei ist nur klar, dass die Attentäter mit einer roboterhaften Präzision gehandelt und so teuflisch konspirativ agiert haben müssen, dass sie - strenggläubige Muslime, denen Alkohol verboten ist - kurz vor dem Attentat sogar Wodka gebechert haben sollen, um keinen Verdacht zu erwecken. Oder das FBI ist überfordert. Oder die Behörde, was nicht auszuschließen ist, führt die Öffentlichkeit an der Nase herum. Denn in mindestens einem Fall lebt einer der mutmaßlichen arabischen Selbstmord-Massenmörder. Der 29-jährige Adbul Al-Umari, der mit einem Pilotenschein ausgerüstet Flug 11 der American Airlines in den Nordturm des »World Trade Center« gesteuert haben soll, meldete sich laut Angaben der britischen Zeitung »Independent« von Montag bei der USA-Botschaft in Beirut und beteuerte, unschuldig zu sein. Sein Pass sei ihm schon vor Jahren in den USA gestohlen worden. Möglicherweise statteten sich die Flugzeugentführer auch mit anderen gestohlenen arabischen Pässen aus.
Und weitere Merkwürdigkeiten fallen bei der Spurensuche auf. Die Zeitschrift »Newsweek« enthüllte zu Wochenbeginn, dass drei der mutmaßlichen Flugzeugentführer in den 90er Jahren als Angehörige der US-Kriegsflotte in der »Naval Air Station« in Pensacola im Bundesstaat Florida gemeldet waren, bei der »Wiege der Navy-Luftwaffe«, wie die Zeitschrift einen Beamten zitierte. Ein vierter Entführer soll beim »Air War College« in Montgomery, Alabama, eine Ausbildung in Luftwaffen-Strategie und -taktik erhalten haben, ein fünfter eine Sprachausbildung in einer Luftwaffenbasis in San Antonio, Texas. Letztere waren saudische Piloten auf Auslandskursen in den USA, berichtete »Newsweek«.
Es ist nichts Außergewöhnliches, dass Ausländer vom USA-Militär innerhalb der Vereingten Staaten Eliteausbildungen erhalten, um dann - wie in vielen Fällen Lateinamerikas - in ihre Heimatländer zurückzukehren und an der militärischen Unterdrückung der Bevölkerung teilzunehmen. Die USA bildeten mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten etwa Iraner zu Zeiten des Schah-Regimes aus und trainierten seit Jahrzehnten Kampfpiloten der »National Guard« Saudi-Arabiens, des - neben den afghanischen Taleban - fundamentalistischsten Regimes in der islamischen Welt.
Über die freundschaftlichen Beziehungen von US-Militärs und CIA zu islamistischen Terroristen im gemeinsamen Kampf gegen Afghanistan in den achtziger Jahren äußerte sich am Montag Noam Chomsky. Die CIA sowie der pakistanische Geheimdienst hätten damals als wichtigsten Kampfauftrag im Mittleren Osten »maximalen Schaden« für die Sowjetunion und ihre Verbündeten organisiert, erinnerte Chomsky - durch »Rekrutierung, Bewaffnung und Finanzierung der fanatischsten und grausamsten Kämpfer, die sie mobilisieren konnten«. Die so genannten »Afghanen«, darunter auch der saudische Millionär Osama bin Laden, ließen sich Anfang der neunziger Jahre in Saudi-Arabien nieder und nahmen unter anderem den Kampf gegen die USA auf. »Newsweek« zitierte in diesem Zusammenhang einen ehemaligen Piloten der US-Navy: »Vor zwei Jahrzehnten trainierten wir Iraner«, sagte er, »welches Land gerade auf der Tagesordnung steht, dessen Piloten trainieren wir«.