Wo Spanien entstand

Von der asturischen Hauptstadt Oviedo zum Nationalheiligtum Covadonga

  • Hubert Thielicke
  • Lesedauer: 6 Min.
Asturien bietet neben den geschichtsträchtigen Orten Oviedo, Cangas de Onis und Covadonga auch ein grandioses Naturerlebnis. Inmitten des Nationalparks Picos de Europa liegen in einer wunderschönen Umgebung die Gebirgsseen Enol und La Ercina.

Gemütlich lässt es sich schlendern durch die engen Gassen der Altstadt von Oviedo. Nach dem Flug aus Deutschland bleibt am Nachmittag noch Zeit für einen Stadtbummel. Nicht zu übersehen in der Altstadt - die gotische Kathedrale mit ihrem wie einem Pfeil hoch aufragenden Turm. Ihre Cámera Santa, die Heilige Kammer, beherbergt einen der bedeutendsten Kirchenschätze Spaniens, zu dem auch das prächtige, Edelstein verzierte Siegeskreuz gehört. Sehenswert in der Hauptstadt Asturiens auch die vielen Plätze, Paläste und Museen wie die Galerie der Schönen Künste oder das Archäologische Museum. Zum Verweilen laden abends die urigen Sidrerias in der Altstadt ein, wo der - allerdings etwas gewöhnungsbedürftige - asturische Apfelwein Sidra ausgeschenkt wird.

Unbedingt empfehlenswert für kunsthistorisch Interessierte sind die einzigartigen präromanischen Kirchen der Stadt, insbesondere die vor den Toren Oviedos gelegenen Santa Maria de Naranco und San Miguel de Lillo. Mit zahlreichen für die damalige Zeit innovativen Kunstelementen besticht besonders erstere: Säulen mit zierlich ausgearbeiteten Kapitellen, Wanddekorationen mit figürlichen Darstellungen und verschiedenartigen Mustern, darunter auch orientalischen. Stolz betont Führerin Juana, dass wir hier gewissermaßen an der Wiege der europäischen Architektur nach dem Untergang des Römischen Reiches stehen: »Die Kirchen wurden im 9. Jahrhundert erbaut. Sie sind die Vorläufer der Romanik. Die UNESCO erklärte sie zum Weltkulturerbe.« Sie weist auf eine am Altar der ursprünglich als Palast erbauten Santa Maria de Naranco angebrachte Widmung: Das Gebäude wurde 848 fertig gestellt. Ein knappes halbes Jahrhundert zuvor war die Hauptstadt des jungen Königreiches Asturien nach hier verlegt worden.

Von Oviedo in die Picos de Europa

Im Jahre 711 hatten die von Nordafrika zur Iberischen Halbinsel übergesetzten moslemischen Mauren das Westgotenreich vernichtet. Nur im unwegsamen Norden, im Kantabrischen Gebirge, konnte sich ein kleines christliches Fürstentum behaupten und 722 sogar einen Angriff der Mauren zurückschlagen. Mehr darüber erfahren wir in Cangas de Onis.

Das Städtchen, rund einundeinhalb Busstunden von Oviedo entfernt, war die erste Haupstadt Asturiens. Sein Wahrzeichen ist die Römische Brücke, die allerdings erst im Mittelalter gebaut wurde. Es bedarf schon einiger Anstrengung, um über die sich hoch über den Rio Sella spannende Brücke zu kommen, kein Wunder, dass damals noch zusätzliche Ochsen vor die Wagen gespannt wurden. Als älteste präromanische Kirche gilt die Capilla de Santa Cruz, die allerdings im Laufe der Jahrhunderte mehrmals zerstört und wieder errichtet wurde, sodass sie heute kaum noch der ursprünglichen Kirche ähnelt. Im Inneren blickt man tief hinab in die »Unterwelt«: Die Kapelle wurde über einem Dolmen, einem vorgeschichtlichen Großsteingrab, errichtet. Im oberen Teil der Stadt vermittelt das in der ehemaligen Gemeindekirche eingerichtete Museum »Aula del Reino des Asturias«, die »Königshalle von Asturien«, einen sehr anschaulichen Überblick über die Geschichte des Fürstentums und damit auch über die Ursprünge Spaniens.

Das Einzigartige des Städtchens ist jedoch das Naturerlebnis, denn Cangas ist der Ausgangspunkt für Touren und Wanderungen in die Picos de Europa, den wohl schönsten Nationalpark Spaniens. Im Viertelstundentakt fahren Busse hinauf in die Berge zu den Lagos de Covadonga, den Seen Enol und La Ercina. PKWs sind eigentlich nicht erlaubt. Steil geht es halsbrecherische Serpentinen hinauf. Ab und an trottet eine Kuh oder gar eine Herde um die Ecke. Begegnen sich Busse auf der engen Gebirgsstraße, berühren sich fast die Rückspiegel. Zunächst ziehen sich an der Straße grüne Wälder hin, vor allem aus Buchen und Eichen, dann wird es zunehmend kahler. Oben auf einer Höhe von etwa 1200 Metern trifft man nur noch auf schüttere Gebirgswiesen.

Endstation schließlich am Lago Enol. Der rüstige Wanderer mag nun zu einer längeren Tour aufbrechen, während der Rundwanderweg um die die beiden Seen eine angenehme Halbtagestour darstellt. Zunächst geht es eine schier unendliche Treppe hinauf zum Besucherzentrum, das auf die Picos de Europa einstimmt. Der Name »Bergspitzen von Europa« soll übrigens auf Seefahrer zurückgehen, die sich von Norden Spanien näherten und zuerst die nur 10 bis 20 Kilometer hinter der Küste aufragenden Kantabrischen Berge erblickten.

Ein paar Schritte weiter und vom Mirador del Principe eröffnet sich ein herrlicher Blick auf die umliegenden Gipfel. Während die Touristen die Aussicht genießen, stapfen ringsum Rinder über die Wiesen oder liegen genüsslich kauend im Grase. Wer wohl in der Überzahl ist? Der Weg führt durch ein still gelegtes kleines Bergwerk zum Lago La Ercina. Zeit für eine Rast in einer kleinen Gaststätte am See. Das findet auch eine Reitergruppe. Wie im Western werden die Pferde kurzerhand an den Zaun gebunden.

Historischer Sieg aus dem Hinterhalt

Über den Mirador de Entrelagos, von dem aus man, wie der Name erwarten lässt, beide wunderschön gelegene Hochgebirgsseen im Blick hat, geht es hinab zur Busstation. Ein Zwischenhalt in Covadonga bietet Gelegenheit, wieder tief in die Geschichte Spaniens einzutauchen. Hier soll das bereits erwähnte Ereignis von 722 stattgefunden haben: Eine Schar Asturier unter Führung des Fürsten Pelayo hatte in den Bergen einen Hinterhalt gelegt und eine überlegene maurische Truppe in die Flucht geschlagen. Angeblich ein Wunder, das man der Hilfe der Jungfrau Maria zuschrieb. Pelayo habe ein schlichtes hölzernes Kreuz mit sich geführt - das Siegeskreuz, das dann später gold- und edelsteingeschmückt in der Kathedrale von Oviedo landete. In den einschlägigen Quellen schwanken die Angaben über das Gefecht. Auf jeden Fall wurde der Sieg zu einem Mythos der spanischen Geschichte, der Ort zu einer Art Nationalheiligtum. Hier begann die Reconquista, die christliche Rückeroberung Spaniens, die schließlich 1492 mit der Einnahme Granadas endete.

Den Ort hat die Katholische Kirche völlig vereinnahmt. Bereits von weitem macht eine hoch auf einem Berg im Stile des Bayernkönigs Ludwigs II. erbaute neogotische Kirche darauf aufmerksam. An der Felswand gegenüber eine Szenerie wie aus dem Bilderbuch: ein Wasserfall plätschert in einen kleinen See, darüber eine Kapelle in einer Höhle. Vor der Kapelle drängen sich die Gläubigen, um zur Statue der Jungfrau von Covadonga zu gelangen. Am Hauptplatz ragt eine Basilika auf, daneben ein Kloster. In einer Ecke steht einsam das Denkmal des Fürsten Pelayo, des eigentlichen Helden, der mit seinen raubeinigen Kriegern hier vor fast 1300 Jahren Geschichte schrieb.

Buntes Treiben herrscht am Parkplatz. An den Ständen werden Devotionalien feilgeboten: Halsketten und T-Shirts mit Siegeskreuz, Holz- und Plastikschwerter, Maria- und Ritterfiguren und vieles mehr. Mit dem Bus wieder hinunter nach Cangas de Onis. Nach dem anstrengenden Tag hat sich der Wanderer ein kräftiges Abendessen verdient. Empfehlenswert auch der säuerliche Apfelwein zur Fabada, der deftigen asturischen Bohnensuppe. Das wird allerdings erst mittels einer merkwürdigen Apparatur erreicht - einer Art batteriebetriebener Pumpe, die der Kellner auf der Flasche ansetzt: Die Sidra wird mit Sauerstoff vermischt ins Glas gespritzt.

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