Viel Lärm um nichts?
Fraport-Chef brüskiert Flughafenkritiker
Fraport-Chef Stefan Schulte wollte die wegen des zunehmenden Fluglärms in der Rhein-Main-Region aufgebrachten Gemüter beruhigen - doch der Schuss ging nach hinten los. Bei einem Vortrag auf Einladung des Bistums Mainz sagte der Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, 60 bis 70 Prozent des Fluglärms seien psychische Wahrnehmung, 30 bis 40 Prozent das objektiv Messbare.
Schulte, der immerhin von einer »neuen Betroffenheit« im Mainzer Raum sprach, wollte wohl sagen, dass die Menschen in der Region nicht messbar, sondern subjektiv unter dem Lärm litten. Der Chef des Flughafenbetreibers räumte ein, dass mit der neuen Nordwest-Landebahn Bürger vom Fluglärm betroffen seien, die zuvor weniger belastet gewesen waren. Nicht gelten lassen wollte Schulte allerdings, dass Gemeinden unter dem Lärm so stark leiden, dass ihr Wachstum gebremst werde. In Raumheim beispielsweise, einem Ort unweit von Frankfurt am Main, sei es auch schon früher laut gewesen - und doch entwickelte sich die Gemeinde schnell.
Der Fraport-Chef schraubte in seinem Vortrag zugleich das ehrgeizige Ziel herunter, im Jahr 2020 rund 700 000 Flugbewegungen erreichen. Das sei auf die kriselnde Wirtschaft in Europa und veränderte ökonomische Rahmenbedingungen zurückzuführen. Im vergangenen Jahr wurde in Frankfurt am Main 487 000 mal gestartet und gelandet.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm reagierte verärgert auf die Rede des Fraport-Chefs und sprach von einer Entgleisung. »Offensichtlich weiß Herr Schulte sich nicht mehr anders zu helfen, als die Flughafenausbaugegner zu denunzieren, indem er ihnen vorwirft, sie litten unter einer Einbildung«, erklärte die Sprecherin des Bündnisses, Ingrid Kopp. Schulte und die ganze Lobby der Ausbaubefürworter, so Kopp, sollten zur Kenntnis nehmen, »dass wir sehr genau wissen, worunter wir leiden: Wir leiden unter der Fehlplanung Nordwestlandebahn«. Diese Landebahn habe bisher jedem nur Probleme gebracht. Nicht nur die Anwohner seien die Leidtragenden, sondern besonders die »völlig überlastete« Flugsicherung.
Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) sagte, die Bürger fühlten sich von der Fraport AG nicht im Geringsten ernst genommen, wenn sie von verantwortlicher Seite hören müssten, dass der Großteil der empfundenen Belastungen Einbildung sei. Der Vorsitzende des Vereins »Gesundheitsregion Rheinhessen«, Professor Thomas Münzel, betonte, der Fraport-Chef verhöhne mit seinen Äußerungen eine ganze Region.
Unterdessen kommt eine weitere Lärmbelastung auf Bürger in Rheinland-Pfalz zu. Wie Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) mitteilte, werden Ende September auch besonders schwere und laute Flugzeuge über die Südumfliegung geführt. Der Minister kritisierte scharf, dass es keine gründliche Beratung zur zusätzlichen Verlagerung von Fluglärm gegeben habe, die erst für das nächste Jahr geplant war. Mainz würde dann nicht nur durch Anflüge belastet, sondern auch durch Abflüge.
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