Strafe für Sterbehilfe
Kabinett billigt umstrittenen Gesetzentwurf
Drei Jahre Gefängnis oder Geldstrafen könnten künftig denjenigen erwarten, der mit Beihilfe zum Suizid Geld verdient. Die gewerbliche Förderung der Selbsttötung wird demnächst unter Strafe stehen, wenn dieser Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium das Parlament wie geplant passiert.
Von Anfang an war der Gesetzentwurf heftig umstritten. Ärzte, Hospizstiftung und Kirchen protestierten. Ihnen missfiel die Passage, in der Angehörige und nahestehende Menschen des Suizidwilligen - auch, wenn sie Ärzte sind - für ihre Hilfe nicht bestraft werden sollen. Die Ärzteschaft betrachtet es als ihre Aufgabe, Leben zu retten. Ihr größter Teil fürchtet wie Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery, die neuen Regelungen könnten als Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer dienen. Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte, das Gesetz schaffe gefährliche Freiräume und stärke die Befürworter der Hilfe zur Selbsttötung. »Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass jetzt schnell der Ruf nach Zulassung von tödlichen Medikamenten laut wird«, sagte Geschäftsführer Eugen Brysch. Es sei offenbar politischer Wille der Justizministerin, Tötung auf Verlangen zu legalisieren, sagte er. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, meint, dass es kein Geschäft werden dürfe, Menschen zu Tode zu bringen. »Wie wollen Sie definieren, wann ein nahes Verhältnis zwischen Arzt und sterbendem Patienten besteht?«, fragt er. Zeitungen zufolge hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Reaktion auf die bereits vor dem Vorlegen des Gesetzentwurfes laut gewordene Kritik sämtliche Beispiele für ein nahestehendes Verhältnis aus dem Text entfernen lassen. Ärzte und Pflegekräfte kommen anders als im ursprünglichen Referentenentwurf in dem gestern gebilligten Papier nicht mehr vor. Bereits vor längerer Zeit war gemunkelt worden, dass dieses Werk ohnehin nicht zu den von der Justizministerin bevorzugten Projekten gehörte.
Nicht weit genug geht das Gesetz hingegen den Sterbehilfebefürwortern. Die Praxis werde zeigen, ob es ausreicht, verzweifelte Schwerstkranke von Affekthandlungen oder einer unwürdigen Flucht ins Ausland abzuhalten, sagte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Elke Baezner. Der Staat habe keinen Lebensschutzauftrag mehr, wenn ein Bürger aus freien Stücken und trotz Hilfsangeboten sein Leben nicht mehr geschützt haben will, erklärte Erwin Kress, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands.
In Deutschland nahmen sich im letzten Jahr über 10 000 Menschen das Leben, rund 1000 warfen sich vor einen Zug. Ein Teil nutzte die Möglichkeiten ausländischer Sterbehilfeorganisationen wie der Dignitas in der Schweiz.
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