Das Dynamo-Imperium schlägt zurück

Kiew will über Borussia Mönchengladbach in die Champions League und die Donezker Vormachtstellung brechen

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit gewaltigem Aufwand will Dynamo Kiew wieder in die Champions League einziehen und betrachtet sich in den Playoff-Spielen gegen Mönchengladbach als Favorit. Heute tritt der ukrainische Rekordmeister im Hinspiel bei der Borussia an. Mit den Millionen-Investitionen soll aber auch der enteilte Konkurrent Schachtjor Donezk wieder eingeholt werden.

Mittlerweile besitzt Dynamo Kiew auch eines dieser modernen Museen, in denen in hell erleuchteten Räumen die kleinen und großen Pokale ausgestellt sind, die so ein Verein in seiner langen Geschichte gewinnt. Und natürlich fehlen im altehrwürdigen Walerij-Lobanowski-Stadion, der eigentlichen Keimzelle dieses Traditionsklubs, auch nicht die Schwarz-Weiß-Bilder aus den seligen Europapokalzeiten. Der ukrainische Nationaltrainer Oleg Blochin, bei Dynamo immer noch als lebende Legende verehrt, hat während der Europameisterschaft nicht nur einmal davor Halt gemacht, schließlich gibt es etliche Aufnahmen an den Wänden, die den einst weltbesten Linksaußen in Aktion zeigen.

Etwa einst im Laufduell mit Berti Vogts, damals am 20. April 1977, als die von der verstorbenen Ikone Walerij Lobanowski trainierte Dynamo-Elf im überfüllten Düsseldorfer Rheinstadion gegen Borussia Mönchengladbach mit 0:2 verlor, nachdem Kiew zuvor das Halbfinalhinspiel im Europapokal der Landesmeister mit 1:0 gewonnen hatte. Die Fohlenelf kam damit weiter, unterlag dann aber im Endspiel dem FC Liverpool. Die Reminiszenzen aus einer anderen Epoche leben vor dem Playoff-Hinspiel zur Champions League bei Borussia Mönchengladbach nun wieder auf. Wegen seiner Erinnerung als Aktiver zeigte sich Gladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof gar nach der Auslosung »erschüttert«. Respekt vor Kiew scheint allemal angebracht.

Dynamo-Besitzer Igor Surkis lässt schließlich keinen Zweifel, um was es in dieser Saison für den zweifachen Europapokalsieger (1975/1986) geht. »Wir müssen direkt in die Champions League. Und wir müssen das Monopol von Schachtjor Donezk brechen.« Der 53-Jährige, jüngerer Bruder des vor der Ablösung stehenden ukrainischen Verbandspräsidenten Grigorij Surkis, ist es leid, im Lande die zweite Geige zu spielen. Der vom einflussreichen Oligarchen Rinat Achmetov alimentierte Schachtjor-Trupp hatte das strukturkonservative Dynamo-Gebilde zuletzt in jeder Hinsicht überholt, nun schlägt das Imperium aus der Hauptstadt zurück. Mit einer aberwitzigen Transferattacke in diesem Sommer von allein 40 Millionen Euro an Ablösesummen.

Dafür wurden der portugiesische EM-Stammspieler Miguel Veloso aus Genua und der kroatische Internationale Niko Kranjcar von Tottenham, der Argentinier Marco Ruben aus Villarreal oder der Brasilianer Raffael von Hertha BSC verpflichtet. Woher das plötzliche Geld stammt, darüber herrscht ziemliches Rätselraten. Vermutet wird auch hier eine Oligarchen-Unterstützung, die mit politischen Ränkespielen zu tun haben könnte. Schließlich stehen im Oktober die Parlamentswahlen an, und Dynamo Kiew erfreut sich in der Bevölkerung traditionell großer Beliebtheit. Das zur EM runderneuerte Olympiastadion mit seinen 70 000 Plätzen ist nicht nur beim Rückspiel am 29. August, sondern auch bei Ligaspielen oft ausverkauft.

Dabei spielt das Starensemble noch keinen berauschenden Fußball. Der zu Weihnachten 2010 eingestellte Trainer Juri Semin gilt als Defensivfanatiker. Seine vorsichtige Taktik behält er trotz der prominenten Verstärkung bei, weshalb Stars wie Kranjcar oder Raffael heute nur auf der Bank Platz nehmen. Die Schlüsselpositionen in der Offensive sind an den nigerianischen Torjäger Ideye Brown und die ukrainischen Nationalspieler Oleg Gusew und Andrej Jarmolenko auf den Flügeln fest vergeben. Doch wehe, nach dem Weiterkommen gegen Feyenoord Rotterdam in der dritten Runde wird in den letzten Millionenspielen gegen Mönchengladbach das Erreichen der Gruppenphase verpasst: Dann, so heißt es aus dem Umfeld des Klubs, ist der 65-jährige Russe seinen Trainerjob los.

Nicht nur wegen des Heimvorteils im Rückspiel gibt sich Semin aber optimistisch, die Hürde gegen den Bundesligavierten zu nehmen. »Wir haben viel Potenzial und das Verständnis mit den neuen Spielern wird immer besser«, beteuert der Chefcoach, der mit Sergej Rebrow einen seiner Assistenten zum Ausspähen des Gladbacher DFB-Pokalspiels nach Aachen schickte. Es soll im Dynamo-Tross aber auch den einen oder anderen gegeben haben, der sich zur Einstimmung auf die Dienstreise an den Niederrhein noch mal die alten Aufnahmen von vor 35 Jahren angeschaut hat. Es sind ja wirklich schöne Bilder, als die in Ost und West stilprägenden Idole wie Blochin oder Vogts sich begegneten. Auch wenn weder der eine noch der andere die aktuelle Geschichte des Vereins aktiv mitbestimmt.

Heute
Spartak Moskau - Fenerbahce Istanbul
Mönchengladbach - Dynamo Kiew
Helsingborgs IF - Celtic Glasgow
FC Kopenhagen - OSC Lille
FC Basel - CFR Cluj

Mittwoch
Borissow - Hapoel Kiryat Shmona
AEL Limassol- RSC Anderlecht
Dinamo Zagreb - NK Maribor
SC Braga - Udinese Calcio

Die Rückspiele der Playoffs finden am 28. und 29. August statt. Sie sind die letzte Hürde zur lukrativen Gruppenphase der Champions League, für die 22 Vereine aus den zwölf stärksten Ligen gesetzt sind. 54 Klubs mussten dagegen in die Qualifikation, die in drei Runden und den Playoffs ausgespielt wird. Am 30. August werden in Monaco dann die Vorrundengruppen ausgelost.

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