Einladung zum Militärtourismus

Die Bundeswehr baut in der Colbitz-Letzlinger Heide eine riesige Übungsstadt - es gibt noch viele offene Fragen

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Linkspartei verlangt von Sachsen-Anhalts Landesregierung Auskünfte zur Übungsstadt der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide, um die Geheimniskrämerei betrieben wird.

500 Häuser mit Kellern und 20 Kilometer Straße samt Kanalisation, ein 650 Meter langer Autobahnabschnitt und sogar ein 1,5 Kilometer langer Fluss - die Übungsstadt, die von der Bundeswehr in der Altmark errichtet werden soll, ist mehr als nur eine Kulissensiedlung. Sie hat vielmehr Dimensionen einer echten Stadt: Über 6,25 Quadratkilometer soll sich der Ort erstrecken, der nach einem ehemaligen Altmarktdorf »Schnöggersburg« genannt wird und in dem Soldaten auf Auslandseinsätze vorbereitet werden sollen. Die Übungsstadt sei, sagt Sachsen-Anhalts LINKE-Fraktionschef Wulf Gallert, »so groß wie Halle-Neustadt«.

Angesichts der Dimensionen verwundern das große Tempo und die spärlichen Informationen, die mit dem Projekt einhergehen. Er sei »erstaunt, wie rasant die Dinge dort vorangetrieben werden«, ohne dass Öffentlichkeit und Landtag ausreichend informiert würden, sagte Gallert. Das Bauvorhaben könne es mit der Nordverlängerung der Autobahn A14 durch die Altmark aufnehmen. Während dort aber umfangreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren notwendig sind, bei denen Öffentlichkeit und Naturschutzverbände einbezogen werden, liefen die Planungen für die Übungsstadt weitgehend im Verborgenen: »Offenbar sind dort normale Verfahren außer Kraft gesetzt«, sagte Gallert.

Mit einer großen Anfrage begehrt die Fraktion jetzt deshalb Auskünfte von der Regierung. Sie will unter anderem wissen, wie die Gelder vom Bund an das Land fließen: »Im Haushalt und im Nachtragsetat haben wir dazu nichts gefunden«, sagt Gallert. Das Vorhaben soll mindestens 62 Millionen Euro kosten. Bauherr und Projektsteuerer ist laut Linkspartei der Landesbetrieb Bau.

Zudem seien Fragen von Natur- und Gewässerschutz zu klären, ergänzt Uwe-Volkmar Köck, Experte für Landesentwicklung und Raumplanung. In Schnöggersburg würden allein 85 000 Quadratmeter Verkehrsfläche versiegelt. Gleichzeitig wird in der Colbitz-Letzlinger Heide aber das Trinkwasser für viele Orte Sachsen-Anhalts gewonnen. Die Umweltverträglichkeit müsse daher geprüft werden.

Grundsätzlich bleibt die LINKE bei ihrer ablehnenden Haltung zu dem Vorhaben. In der Stadt, die bis Ende des Jahres fertig geplant und ab 2013 gebaut werden soll, will die Bundeswehr ab 2016 ihre Soldaten besser auf Einsätze im Ausland vorbereiten. Sie wolle so »ihre Qualitäten als Interventionsarmee stärken«, sagte Gallert. Er erwarte zudem einen »Militärtourismus«, wenn Truppen aus anderen Ländern das Gelände nutzen. Es habe bereits Besuche von Militärs aus Ländern wie Singapur und Pakistan gegeben. Bei den militärischen Aktivitäten wird eine »deutlich andere Größenordnung« als im bisherigen Gefechtsübungszentrum erwartet. Weil sich die Soldaten in der künftigen Stadt eher auf die Bekämpfung von Aufständen vorbereiten werden, sei auch verstärkt mit Hubschraubereinsätzen zu rechnen.

Aus Sicht der Linkspartei ist es fraglich, ob der Ausbau mit dem 1997 beschlossenen und 2004 ergänzten Heidekompromiss vereinbar ist. Dieser sah sowohl eine militärische als auch eine zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide vor. »Ob das bei der geplanten Intensivierung des Übungsbetriebs möglich ist, bezweifeln wir«, sagte Gallert. Seine Fraktion erwartet auch dazu von der Landesregierung bis zum Herbst Antworten.

Für den 15. September laden Kritiker des Ausbaus und der Bundeswehr-Aktivitäten derweil zu einem Protestcamp in die Altmark ein. Man wolle den Übungsplatz »entern und lahmlegen«, heißt es in der Einladung, die über die Indymedia verbreitet wird. Die LINKE prüft nach Auskunft Gallerts noch, ob sich der Ansatz mit ihrer eigenen Herangehensweise vereinbaren lässt. Die Fraktion unterstützt seit Jahren die friedlichen Proteste der Initiative »Offene Heide«. Diese lädt für den kommenden Sonntag zum inzwischen 229. Friedensweg.

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