Keine Friedensaussichten für Syrien
Bannstrahl der USA gegen Assad erschwert notwendigen Dialog
An drei verschiedenen Schauplätzen ging am Mittwoch das erbitterte Ringen um die (Vor-)Herrschaft in Syrien weiter - im Lande selbst; in Moskau, wo sich Assads Gegner derzeit die Klinke in die Hand geben; und im New Yorker UNO-Sicherheitsrat.
14 Kriegsopfer soll es gestern bis Mittag in Syrien gegeben haben, meldete dpa und berief sich dabei auf eine von Kairo aus agierende Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter: Es starben reguläre Soldaten, Deserteure - und ein kleines Mädchen, welches nahe Aleppo bei einem Granateneinschlag getötet wurde. Am Dienstag soll es 90 Tote gegeben haben. Ein Ende der Auseinandersetzungen ist trotzdem weniger denn je in Sicht.
Vor allem die derzeit in Moskau laufenden Gespräche zwischen Wortführern der syrischen Oppositionsgruppen und russischen Regierungsvertretern geben wenig Anlass zu Optimismus. Zwar darf es zunächst als Fortschritt an der diplomatischen Front gewertet werden, dass die angereisten Syrer bereit waren, einen - wenn auch äußerst indirekten - Dialog mit der Gegenseite zu führen; sehen sie in Moskau doch nichts anderes als den Schutzpatron des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Doch mit Letzterem, das wurde mehr als deutlich, wollen sie auch jetzt keinesfalls reden, sondern im Gegenteil den Krieg gegen seine Herrschaft ausweiten, wo immer ihnen das möglich ist.
Manche Zwischentöne der Moskauer Pressekonferenz vom Dienstag erweckten den Eindruck, dass die Assad-Gegner die Bereitschaft andeuten wollten, auch nach der von ihnen angestrebten Machtübernahme eine wie auch immer geartete Rolle Russlands im Lande zu akzeptieren, sprich: die weitere Nutzung des Hafens Tartus für die russische Mittelmeerflotte. Doch ohnedies wird Russlands Führung längst darüber nachgedacht haben - und zu der Ansicht gelangt sein, dass alle Andeutungen in dieser Richtung wenig gelten und die Karten, sollte das Regime Assad stürzen, sowieso neu gemischt werden.
Das von Russland vorgebrachte Anliegen, Verhandlungen zwischen Assads Vertretern und der Opposition den Weg zu bereiten, ist in Moskau jedenfalls keinen Millimeter vorwärts gekommen.
Die USA haben die Moskauer Gespräche offiziell beschwiegen, letztlich aber torpediert, indem sie praktisch jeden, der mit Assad zu sprechen wage, zur Unperson für Washington erklärten. Assad, so sagte US-Präsidentensprecher Jay Carney am Dienstag laut dpa, »wird in die Geschichte als ein brutaler Tyrann eingehen, der sein eigenes Volk ermordet«. Alle Politiker und Militärs in Damaskus seien aufgefordert, »mit Assad zu brechen«.
Dieses Diktum dürfte denn auch die für gestern angesetzte Sitzung des UNO-Sicherheitsrates dominieren, in der es formal um die Fortsetzung der UN-Beobachtermission in Syrien geht, deren Mandat am 20. Juli ausläuft. Die USA werden aber weiter auf eine Verurteilung einzig der syrischen Führung drängen. Bisher haben China und Russland dies zurückgewiesen. Einige Ratsmitglieder wie Aserbaidshan, Marokko und Pakistan gehen aber schon viel weiter und verlangen ein bewaffnetes Eingreifen auf Seiten der Opposition, also eine Art Neuauflage des Libyen-Abenteuers.
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