Fukushima im Posteingang
Die Reaktorkatastrophe in Japan erreichte 2011 auch den Petitionsausschuss der Bundestages
Der Petitionsausschuss der Bundestages ist immer ein Seismograph gesellschaftlicher Stimmungen. Das zeigte sich auch am Dienstag, als die Ausschussvorsitzende Kersten Steinke (LINKE) den Jahresbericht 2011 vorstellte. So habe die Reaktorkatastrophe von Fukushima im März »den Posteingang im Petitionsausschuss rasant ansteigen lassen«, betonte Steinke. Mehr als 70 000 Bürger hätten daraufhin Petitionen unterstützt, die unter anderem die Abschaltung aller Atomkraftwerke forderten.
Insgesamt seien 2011 beim Ausschuss mehr als 15 191 Bitten und Beschwerden eingegangen - gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um zehn Prozent. 15 136 Petitionen habe man »abschließend behandeln« können, davon »mehr als ein Drittel im weitesten Sinne positiv«, so Steinke. Mehr als 5000 Petenten habe man bereits im Vorfeld des parlamentarischen Verfahrens helfen können. Oftmals reichte ein entsprechendes Gesuch bei den zuständigen Stellen, um »eine Lösung im Sinne des Petenten« zu finden, erklärte Steinke, die den Ausschuss bereits seit 2005 leitet.
Beinahe ein Viertel aller Eingaben betrafen den Zuständigkeitsbereich des Bundesarbeitsministeriums. Den Petenten ging es dabei vor allem um Hartz IV und Rentenrecht. Der Bundestag selbst ist immer seltener Ziel von Anregungen oder Beschwerden. Ganze 208 Petitionen zählte man im vergangenen Jahr. Erstaunlich ist die Bandbreite der Einsendungen: Von Forderungen nach mehr Restriktionen für Polizisten beim Einsatz von Pfefferspray, über Kostenfallen im Internet bis hin zur Klärung von Visaproblemen.
Als besonders eingabefreudig erwiesen sich erneut die Ostdeutschen: Rechnet man die Zahlen auf die im Durchschnitt auf eine Million Einwohner entfallenden Eingaben um, dann liegen die fünf neuen Länder im Spitzenbereich. Lediglich Rheinland-Pfalz konnte die ostdeutsche Phalanx durchbrechen und landete auf Platz fünf. Laut CDU-Obmann Günter Baumann seien es vor allem vereinigungsbedingte Probleme wie Renten oder Eigentumsfragen, die die Ostdeutschen auf den Plan riefen.
Ein Drittel aller Petitionen wird mittlerweile im Internet veröffentlicht. Dort haben Bürger zudem die Möglichkeit, diese Anliegen gleich elektronisch zu zeichnen. Das Modell wird angenommen, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt: Mehr als 1,2 Millionen Bundesbürger haben sich mittlerweile auf der Webseite epetitionen.bundestag.de regis trieren lassen.
Allerdings hat das System auch einen Schönheitsfehler: Das Quorum ist sehr hoch. Wie SPD-Obmann Klaus Hagemann gestern einräumen musste, sei es dem Ausschuss auch im vergangenen Jahr nicht gelungen, dies zu Gunsten der Bürger zu ändern. Damit sich der Ausschuss im Rahmen einer Anhörung mit der Petition befasst, müssen die Initiatoren innerhalb von vier Wochen 50 000 Unterstützer gewinnen. Kein einfaches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass man erst einmal eine gewisse Medienöffentlichkeit herstellen muss, um so viele Menschen zu erreichen.
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