Keine Privatisierungen
Birgit Keller über ihr neues Amt als Landrätin im thüringischen Nordhausen
nd: Sie sind mit über 55 Prozent zur neuen Landrätin im Landkreis Nordhausen gewählt worden. Hat Sie das klare Ergebnis überrascht?
Keller: Für den Politikwechsel habe ich jahrelang gekämpft, auch wenn ich mit einem derart klaren Votum nicht gerechnet habe. Diesmal habe ich in zwei Dritteln aller Stimmbezirke im Landkreis eine Mehrheit gewonnen.
Mit den neuen LINKE-Landrätinnen sind Hoffnungen auf einen Wechsel verbunden. Welchen Spielraum haben Sie angesichts knapper Kommunalfinanzen?
Der Finanzspielraum ist überall in Thüringen sehr eng und genauso weit eingeschränkt wie er auch bei einem Sieg meines CDU-Mitbewerbers gewesen wäre. Der beschlossene Haushalt ist noch nicht genehmigt. Auch dem Landkreis Nordhausen sitzt die Kommunalaufsicht im Nacken. Ich hoffe, ich werde den Kreis in den kommenden Jahren aus dieser Umklammerung lösen und gemeinsam mit anderen den Druck erhöhen, damit der Kommunale Finanzausgleich künftig den Kommunen mehr Luft lässt. Nun muss ich aber meine Hausaufgaben machen. Zuerst wird es auf einen Kassensturz und die Überwindung teurer Doppelstrukturen ankommen. So können wir gemeinsam mit den Kommunen mehr Gestaltungsspielraum schaffen. Deutlich von meinem Vorgänger unterscheiden werde ich mich bei der Herstellung von mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung.
Wo lagen da bisher die Mängel?
Wenn die Menschen nicht verstehen, warum ein Haushalt so oder so aufgestellt wird, ist es schwierig, sie an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Die bisher sehr konservativ gestaltete Homepage des Kreises muss endlich den Ansprüchen moderner Kommunikation entsprechen.
Was können Sie ohne eigene politische Mehrheit im Kreistag ausrichten?
Ich sitze seit 1994 im Kreistag, kenne die Akteure und werde die Kreistagsmitglieder von CDU bis Grünen in die Prozesse und die Lösung gemeinsamer Sachaufgaben einbinden.
Viele Kommunen gehen angesichts knapper Finanzen zu Privatisierungen und schmerzhaften Kürzungen über. Gibt es für Sie hier Tabus?
Mit mir wird es keine Privatisierungen kommunaler Einrichtungen geben. Die Menschen sind stolz auf unser kommunales Südharz-Krankenhaus, das zu 74 Prozent dem Kreis und zu 26 Prozent der Stadt Nordhausen gehört. Die dort arbeitenden Menschen müssen weiterhin ordentlich entlohnt werden. Ebenso möchte ich unsere kommunale Servicegesellschaft, die etwa Schwimmbäder, Straßendienste oder den Hausmeisterbereich umfasst, einsetzen, um Erwerbslose wieder in die Arbeitswelt zu integrieren.
Mit Ein-Euro-Jobs?
Ich werde mit Arbeitsagentur und Jobcenter darüber reden, wie wir Menschen nachhaltig gute Arbeit anbieten können, ohne sie mit Ein-Euro-Jobs abzuspeisen.
Der Landkreis leidet an Einwohnerschwund und Abwanderung. Wie wollen Sie diese Entwicklung stoppen?
Das wird für mich eine Chefinnensache werden. Jüngere Menschen bleiben nur, wenn sie Arbeit haben und ihre Kinder eine gute Kita-Betreung und kurze Wege in die Schule. Ich will gemeinsam mit der Wirtschaft und allen Beteiligten an einem Strang ziehen und zweimal im Jahre zum Runden Tisch einladen.
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