Banalität der Mörder
Auf DVD: »Enemies of the People«
Es war eine Mischung aus Angst, innerer Überzeugung und blindem Gehorsam, der die Mörder antrieb. »Was sollten wir denn tun, wir wären selbst getötet worden, wenn wir uns widersetzt hätten«, ist als oft wiederholte Ausrede zur Selbstrechtfertigung zu hören. »Wir tranken den Wein, den die Kader mitbrachten, sonst hätten wir es gar nicht tun können«, eine andere Beschönigung für den organisierten Massenmord bis hin zum Genozid. Aber es gab auch die Überzeugungstäter: »Der Plan wäre gescheitert, wenn wir nicht getan hätten, was uns befohlen wurde. Der Befehl kam von ganz oben, von der Zone - und dort hatten sie es von der Spitze, von Pol Pot selbst.«
»Enemies of the People« geht - nach Rithy Panhs Dokumentarfilm »S 21 - Die Todesmaschine der Roten Khmer« - einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Vorgänge, die zum organisierten Mord an bis zu zwei Millionen Menschen führten. Wie Rithy Panh ist Regisseur Teth Sambath ein Überlebender der kambodschanischen Horrorjahre zwischen 1975 und 1979. Sein Vater starb auf den Killing Fields im Nordwesten des Landes, sein Bruder in einem Sammellager, seine Mutter an der Geburt ihres Kindes mit einem Roten Khmer-Kader, der sie mit Todesdrohungen gegen ihre Kinder zur Ehe gezwungen hatte. Auch Teth Sambath landete in einem Flüchtlingslager in Thailand und wurde später Journalist bei der Phnom Penh Post.
Weil ihn die Frage nach den Gründen für all das Morden nicht losließ, fuhr er Wochenende für Wochenende über Land, um die Täter von damals aufzusuchen und die Antwort von denen zu hören, die es ja wissen mussten. »Am Tisch mit den Mördern« hätte der Film heißen können, den er schließlich (in Ko-Regie mit dem britischen Dokumentarfilmer Rob Lemkin) aus seinen Erkenntnissen machte. Aber Teth Sambath nannte ihn nach einer Aussage, die er dem Bruder Nummer Zwei entlockte, Pol Pots rechter Hand Nuon Chea, zur Zeit in Phnom Penh vor Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
»Feinde des Volkes« seien die gewesen, die damals systematisch vernichtet wurden, erzählte der ihm in der schlichten Hütte im Wald, in der er unbelangt mit seiner Familie lebte. Und so heißt nun auch der Film, in dem auch die kleinen Leute zu Wort kommen, die, die wirklich Hand anlegten und Nacht für Nacht umbrachten, wer dem Regime nicht nutzbar schien. Ganz durchschnittliche Menschen sind es, fehlgeleitete, folgsame, uneinsichtige, reumütige, um ihre Reinkarnation besorgte Menschen. An die radikalkommunistische Ideologie, an das Ziel, roter und reiner zu sein als der mächtige Nachbar China, haben offenbar die wenigsten geglaubt. Jedenfalls nicht diejenigen auf den unteren Rängen der Todesmaschinerie.
Enemies of the People. Regie Teth Sambath und Rob Lemkin. Kambodscha/Großbritannien 2009. 2 DVDs. 94 Minuten plus rund 6 Stunden Zusatzmaterial. Sprache Englisch/ Khmer mit deutschen (u.a.) Untertiteln. old street films. ASIN B00578K2H6. 18,99 €.
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