Gruppenführer Schäuble

Kommentar von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 1 Min.

Brüsseler Personalien waren bislang immer eine hoch komplexe Angelegenheit. Dabei galt es vieles auszutarieren: dass die beiden Euro-Großmächte Deutschland und Frankreich etwa gleich stark vertreten sind, dass auch Süd-, Nord- und Osteuropa repräsentiert sind, sich die Gruppe der kleinen Länder nicht übervorteilt fühlt. Dass Demokratie und Transparenz im Auswahlverfahren Fremdwörter blieben, dass oft nicht die Qualifizierten und nur selten Frauen bei Spitzenposten zum Zug kamen, war die Folge. Hinter dem schwer zu durchschauenden Gemauschel stand aber zumindest eine gewisse Logik - es sollte keine nationale Dominanz mehr geben, was eine der Gründungsideen der Europäischen Gemeinschaft besagte. So gesehen, hatte man für die Leitung der Gruppe der Euro-Finanzminister mit dem Luxemburger Jean-Claude Juncker eine ideale Besetzung gefunden. Sein Parteibuch ließ er sich selten anmerken, er suchte nach einem Ausgleich zwischen den Länderinteressen, wobei er auch nicht scheute, bei den Mächtigeren anzuecken.

In der Schuldenkrise wurde in Europa freilich einiges auf den Kopf gestellt. Plötzlich sagt die Regierung des Landes mit der größten Finanz- und Wirtschaftskraft, wo es lang zu gehen hat. Und die anderen haben zu kuschen. So gesehen wäre es nur konsequent, wenn der deutsche Finanzminister auch noch - entgegen bisheriger Gepflogenheiten - den Thron des Euro-Gruppenchefs in Beschlag nimmt.

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