Kein Recht auf ein gesundes Kind?

Urteile der Sozialgerichte

  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Krankenkasse muss einer Schwangeren nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen keine genetische Untersuchung bezahlen, deren Ergebnis letztlich zur Begründung einer Abtreibung dienen soll.

Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) garantiere kein »Recht auf ein gesundes Kind«, befand das Gericht in einer am 16. Februar 2012 in Essen veröffentlichten Entscheidung (Az. L 5 KR 720/11 ER). Vielmehr stehe auch das Leben eines ungeborenen Kindes unter dem Schutz der Verfassung.

Wenn mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen eines Kindes nur mit dem Ziel herausgefunden werden sollten, das Leben des Kindes zu beenden, sei es nicht Aufgabe der GKV, diese Leistungen zu gewähren, erklärten die Richter.

Sie lehnten damit in einem Eilverfahren den Antrag einer werdenden Mutter ab, die von ihrer Krankenkasse verlangte, eine Analyse der DNA-Struktur ihres Vaters zu bezahlen. Die Frau hat ebenso wie ihr Vater einen Gendefekt, der zur Erblindung führen kann. Zur Feststellung, ob dieser Defekt vererbbar ist und damit auch ihr ungeborenes Kind betroffen sein könnte, wollte die Frau ihre Krankenkasse verpflichten, eine molekularbiologische Sequenzierung der DNA-Struktur ihres Vaters zu bezahlen. Sie machte geltend, diese Untersuchung diene letztlich dazu, die Voraussetzungen für eine Abtreibung zu klären.

Das Landessozialgericht verneinte einen solchen Anspruch jedoch. Die GKV habe in erster Linie die Aufgabe, Behandlungen

zu gewähren, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Untersuchung könne auch nicht als Leistung finanziert werden, die der Feststellung der Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch dient. Die Antragstellerin habe die Bedingungen eines nicht rechtswidrigen Abbruchs nicht glaubhaft gemacht. Allein das mögliche Vorliegen einer Behinderung bei dem ungeborenen Kind reiche nicht aus, um die Fortsetzung der Schwangerschaft als unzumutbar erscheinen zu lassen.

Keine Rückzahlung bei mangelhaftem Bescheid

Bei ungenauen Rückzahlungsbescheiden müssen Bezieher von Arbeitslosengeld II die bereits erhaltene Leistungen nicht zurückzahlen. Widerspruchsbescheide einer Behörde müssten der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit entsprechen, heißt es in einem am 15. Februar 2012 veröffentlichten Urteil des Sozialgerichts Detmold (Az. S 10 (8) AS 301/08).

Ein solcher Bescheid sei nur dann gültig, wenn er genau ausweise, welche Leistungen für welchen Zeitraum zu Unrecht bewilligt wurden.

In dem konkreten Fall hatte ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger geklagt, weil die Arbeitsagentur von ihm pauschal Leistungen zurückforderte. Der Kläger bestritt den Vorwurf, ein eigenes Einkommen sowie das seiner Lebensgefährtin nicht rechtzeitig angegeben zu haben. Außerdem warf er der Behörde vor, dass dem Bescheid nicht zu entnehmen sei, welche Leistungen für welchen Monat zurückzuzahlen seien.

Das Landessozialgericht gab dem Kläger Recht. Der Rückforderungsbescheid der Behörde sei mangelhaft, die beigefügten Berechnungsprotokolle gäben nicht genug Aufschluss. Das Urteil ist rechtskräftig.

Schwerhöriger hat Anspruch auf hochwertige Hörhilfe

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen schwerhörigen Versicherten technisch hochwertige Hörhilfen bezahlen, wenn durch preislich günstigere Vertragsgeräte kein optimaler Ausgleich des Hörverlustes erzielt werden kann. In einem solchen Fall müssten gesetzlich Versicherte nicht die Mehrkosten gegenüber den gesetzlichen Festbeträgen für Hörgeräte tragen, so das Sozialgericht Detmold in dem am 15. Februar 2012 veröffentlichten Urteil (Az. S 5 KR 97/08).

Geklagt hatte ein 45-Jähriger, bei dem auf einem Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegt. Er hatte beim Akustiker zwei Geräte getestet, die zum Vertragspreis der Krankenkasse von 648,40 Euro angeboten wurden. Mit den Hörhilfen war jedoch laut Gericht keine Verständigung möglich. Erst ein technisch hochwertiges Gerät führte zum besseren Hören.

Die Krankenkasse weigerte sich, das teure Gerät zum Preis von 1820 Euro in voller Höhe zu bezahlen und berief sich darauf, der Gesetzgeber habe für Hörgeräte Festbeträge eingeführt, Mehrkosten müssten vom Versicherten getragen werden. Die Richter folgten dem nicht. Der Kläger sei auf ein hochwertiges Gerät angewiesen. epd/nd

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