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Fußgängerzone »Linden«?
Bernd Herzog-Schlagk will Berliner Boulevard umbauen / Herzog-Schlagk ist Bundesgeschäftsführer von FUSS e.V.
nd: FUSS e.V., der Fachverband Fußverkehr Deutschland, will, dass der Berliner Boulevard Unter den Linden umgebaut wird. Was schlagen Sie vor?
Herzog-Schlagk: Wir möchten den Mittelstreifen in geschlossener Form für die Fußgänger haben. Die müssen ja jetzt ständig Straßen überqueren, was teilweise sehr gefährlich ist. Da schlagen wir vor, in Gehweghöhe niveaugleich herüber zu führen, damit die Autofahrer merken, dass sie über einen Mittelstreifen fahren und die Fußgänger wissen, sie haben hier Vorrang.
Die »Linden« künftig als Fußgängerzone?
Leider ist es keine Fußgängerzone, sondern eine Flaniermeile. Die Ampelanlagen sind teilweise sehr gefährlich und überarbeitungsbedürftig. Da hopst man an bestimmten Stellen wie ein Hase über die Straße.
Täglich rollen im Schnitt 59 000 Autos über diese Straße. Wohin dann mit dem ganzen Verkehr?
Diese Zahl ist mir nicht bekannt. Uns sind 35 000 Fahrzeuge bekannt. Aber auch 35 000 Autos sind schon ein hohes Verkehrsaufkommen. Das ist ja nicht weg, wenn man den Mittelstreifen mit Querungsstellen für Fußgänger freundlicher macht. Dann kann der Verkehr immer noch durch. Wobei wir allerdings sagen: weniger und langsamer. Hier herrscht momentan eine autobahnähnliche Situation. Für einen Boulevard, der weltweit beworben wird, ist das eine Katastrophe.
Sie sagen, dass die »Linden« 1934 durch die Nazidiktatur vom Boulevard zur Aufmarsch- und Kraftfahrzeugstraße umfunktioniert wurde. FUSS e.V. will die Fahrbahnen zurückbauen. Ist das bei diesem Verkehrsaufkommen ernsthaft realisierbar?
Wir werden sehen. Viele Jahre Bauzeit für die U-Bahn, da wird viel weniger Kfz-Verkehr durchfließen können und er wird in der Innenstadt dennoch nicht zusammenbrechen. Solche Situationen gibt es auch in anderen Städten. Am Opernplatz in Duisburg zum Beispiel wurde ein verkehrsberuhigter Bereich mitten im Stadtzentrum geschaffen und siehe da: Der Verkehr hat sich insgesamt deutlich verringert.
Der Verband empfiehlt auch eine Begegnungszone zwischen Humboldt-Uni und Opernplatz. Was stellen Sie sich darunter vor?
Vorrang für Fußgänger und eine Geschwindigkeit von maximal 20 km/h für kurze Streckenabschnitte. Hier sollte man auch darüber nachdenken, wie der Fußgänger- und der Fahrradverkehrsfluss zwischen Opernplatz und Humboldt-Universität sicherer gemacht werden kann. Wir brauchen da für die Fußgänger eine breite Querungsschneise. Das kann Begegnungszone heißen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Beleuchtung der historischen Meile am Brandenburger Tor. Also mehr Lampen auf die Straße?
Eben nicht auf die Straße, sondern auf die Gehwege. Das ist das Problem. Man hat früher Straßenbeleuchtung so gemacht, dass die Straßen dort beleuchtet wurden, wo die Autos gefahren sind. Das war damals notwendig, denn die Fahrzeuge waren kaum beleuchtet. Das ist alles alter Kram. Die Lampen stehen aber immer noch so. Sie beleuchten die Autos und dahinter schleichen die Fußgänger im Dunkeln.
Fragen: Andreas Heinz
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