Stadt der Spiegel und des Wassers

»Ufer der Verlorenen« - mit Joseph Brodsky im winterlichen Venedig

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.

Das Schiff fuhr langsam durch die Nacht, wie ein schlüssiger Gedanke durch das Unbewusste. Knietief im pechschwarzen Wasser standen zu beiden Seiten die riesigen geschnitzten Truhen dunkler Palazzi, angefüllt mit unergründlichen Schätzen - Gold in aller Wahrscheinlichkeit ...« Das Gold dringt geheimnisvoll als schwaches elektrisches Licht durch die Ritzen der alten Fensterläden. Im Hintergrund erscheinen die Silhouetten der Kirchenkuppeln, eine Brücke wölbt sich über die Biegung des dunklen Wassers und schneidet beide Arme des Kanals »von der Unendlichkeit ab«. In der Schwärze der Nacht beginnt in der Fremde »schon hinter dem letzten Laternenpfahl die Unendlichkeit«.

Der Dichter Joseph Brodsky, dem eine klare Sprache zur Verfügung gestanden hat, wusste, warum er gegen die übliche Regel hier gleich zweimal hintereinander das Wort »Unendlichkeit« setzte - es lohnte sich, in diesem Text zu zählen, wie oft er das Wort gebraucht. Der Ges...


Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.