Narkose oft gefährlicher als die Operation
Studie untersucht Anästhesierisiken betagter Patienten
Jeder zwanzigste Patient über 65 stirbt in den ersten Monaten nach einer Operation. Während durchschnittlich die Rate der im Zusammenhang mit einer Anästhesie eintretenden Todesfälle in den letzten Jahren auf 0,04 pro 10 000 Fälle sank, stieg sie bei alten Menschen auf bis zu 5,5 pro 10 000 Operationen.
Anästhesisten vermuten die Ursachen dafür vor allem in der ungenügenden Berücksichtigung von Vorerkrankungen und anderen Risikofaktoren, darunter ein schlechter Ernährungsstatus oder die allgemeine körperliche Fitness. Diese müssten konsequent vor einer Operation mit Narkose überprüft werden. Dann ließen sich Komplikationen besser vermeiden. Ein umfassender Check vor der Operation scheint schon deshalb angeraten, weil die Zahl älterer Menschen mit Mangelernährung zuletzt stark anstieg. Nach Angaben der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) wurden in den vergangenen zwei Jahren aus diesem Grund 53 Prozent mehr Senioren in Krankenhäusern behandelt. Ein Krankenhausaufenthalt verteuert sich bei Mangelernährung um durchschnittlich 3000 Euro.
Zum Nachweis dieser Zusammenhänge startete im Frühjahr 2011 die fachübergreifende Studie PERATECS, die auch von der Deutschen Krebshilfe finanziell unterstützt wird. In der ersten Phase werden 158 Krebspatienten im Alter ab 65 Jahren einbezogen, die an der Berliner Charité in Behandlung sind. Mehrere hundert weitere sollen bis 2013 in München und Heidelberg untersucht werden. In einem Patiententagebuch dokumentieren sie in den Tagen vor und nach der Operation bestimmte Gesundheitsrisiken, darunter Gewichtsabnahme, Bewegungsmangel, Rauchen, hohen Alkoholkonsum oder besondere psychische Belastungen. Für die Zeit nach der Operation gilt der Einschätzung und Behandlung von Schmerzen besonderes Augenmerk, ebenso der Mobilisation.
Die Angaben werden in die Therapie einbezogen, unter anderem durch die mögliche Konsultation eines Psycho-Onkologen, der für die spezielle Stressbewältigung bei Krebs ausgebildet ist. Die Physiotherapie beginnt, oft zur Verwunderung der Patienten, schon zwei bis sechs Stunden nach der Operation, um etwa Thrombosen und Lungenentzündungen vorzubeugen.
Nach einem Zwischenbericht zu der Studie, der vor einigen Wochen auf einem Kongress für Intensivmedizin vorgestellte wurde, ist das Ziel der Befragungen, Lebensqualität und Fähigkeit zur Selbstversorgung bei den Patienten zu erhalten oder zu verbessern. Die Gesamteinschätzung der Risikofaktoren solle durch eine intensive Zusammenarbeit von Anästhesisten, Geriatern und Onkologen gesichert werden. Wichtig seien darüber hinaus altersgerechte Ausstattungen allgemeiner Krankenhäuser. Dazu gehören lesbare Aufschriften oder erreichbare Toiletten.
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