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Leseprobe
Der Libyen-Krieg
Muammar al-Gaddafi, der Libyen seit 1969 regiert hatte, wurde am Ende des Krieges in Sirte umgebracht. Erst wurde sein Konvoi von NATO-Flugzeugen bombardiert, dann wurden er und seine Begleiter von Truppen der in Bengasi eingesetzten Verwaltung ergriffen. Gaddafi ist am Kopf verletzt, erhält noch einen Bauchschuss, er verliert immer mehr Blut, irgendwer rammt ihm noch einen Stecken in den After - die Demütigung soll vollständig sein. Schließlich verblutet er. In der »Berliner Zeitung« (21. Oktober 2011) heißt es, dies sei »ein Grund zu feiern«, und es habe auch sein Gutes, dass Gaddafi nun nicht mehr vor Gericht stehen könne ...
Aber ist der faire Prozess nicht Grundregel von Rechtstaatlichkeit, das Recht auf Verteidigung eingeschlossen? Hat der Westen nicht erklärt, für Freiheit und Menschenrechte, die Menschenwürde eingeschlossen, in den Krieg gezogen zu sein? Die Schreiberlinge der Kriegspropaganda werfen die Rechtstaatlichkeit eigenhändig über Bord, wenn es um die Diffamierung des früheren Gegners geht. Gewiss, man hat diesmal nicht Gaddafi zum Wiedergänger Hitlers erklärt, wie im Jugoslawienkrieg Milosevic und im Irak-Krieg Saddam Hussein, aber unter Despot und Tyrann ist es jetzt auch nicht abgegangen. Da soll er auch keinen Prozess bekommen. Im Römischen Reich wurden besiegte Häuptlinge der Feinde im Triumphzug durch die Hauptstadt geführt, möglichst in Ketten oder im Käfig, wie ein wildes Tier. Hier nun Beendigung des Krieges mit weltweit verbreiteten Videobildern von dem verblutenden Mann als der große Triumph des Westens nach dem imperialen Krieg
Aus Erhard Crome »Der libysche Krieg des Westens« (Spotless, 94 S., br., 5,95 €).
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