Der Traum

Sing! Inge, sing!

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Als der Jazz sich in den USA Bahn brach, war er in Deutschland als »Negermusik« verboten. Aber auch nach dem Krieg war das deutsche Publikum offenbar nicht sonderlich begeisterungswillig. Inge Brandenburg jedenfalls, in den Fünfzigern und Sechzigern bei Kennern der Szene und Musikerkollegen als deutsche Sängerin »in amerikanischem Stil« bewundert, hatte es schwer mit den deutschen Hörern. So schwer, dass sie zwischenzeitlich fast vergessen war.

Ein Münchner Plattensammler, der auf Flohmärkten auf Material der Sängerin stieß, und der Dokumentarist Marc Boettcher, den er kontaktierte, weil er ihn als Regisseur solider filmischer Musikerbiografien mit Publikumszuspruch kannte (»Strangers in the Night - Die Bert-Kaempfert-Story«), wollten das ändern. Sie führen gemeinsam als Erzähler durch den Film. Eine ganze Reihe von Zeitzeugen kommen zu Wort - welch’ tolle, leider völlig unterschätzte Jazz-Sängerin in dieser gebürtigen Leipzigerin steckte -, ehe Inge Brandenburg für sich selbst sprechen darf, in TV-Archivmaterial und einem biografischen Aufsatz: über ihre Kindheit im Heim, wo man vor allem zur widerspruchsfreien Gleichförmigkeit erzogen wurde, ihre von den Nazis verfolgte Familie und die sowjetischen Gräuel, vor denen sie nach Kriegsende (nicht ganz schnell genug) Richtung Westen floh.

Der Traum von der großen Karriere erfüllte sich nicht. Die Frau, die ein so gutes Gehör für Melodien hatte, dass sie englischsprachige Songtexte rein phonetisch lernte, mit Notizbuch und Stift vor AFN spielte, den Radiosender der US-Streitkräfte, die sich so viele amerikanische Sängerinnen zum Vorbild wählte, von Peggy Lee bis Ella Fitzgerald, dass sie nie in Gefahr geriet, sich als Imitatorin einer einzigen Stimme und Interpretation selbst einzuschränken, wurde von internationalen Medien mit Billie Holiday verglichen, nach Libyen und nach Schweden engagiert, aber in Deutschland hob ihr Ruhm nicht ab. Irgendwann in den Fünfzigern hat Inge Brandenburg dann offenbar nicht mit dem Rauchen, wohl aber mit dem Trinken angefangen. Ihre Enttäuschung und Verunsicherung brachen sich in wilden Ausbrüchen Bahn, die ihrer Karriere auch nicht eben nützten.

Eine Beziehung zu einem Moderator des AFN half, die Auszeichnung als beste Jazz-Sängerin Europas beim Jazzfestival im französischen Juan-les-Pins ebenso. Marktgängig, kommerztauglich, stromlinienförmig im Sinne der deutschen Plattenindustrie wurde Inge Brandenburg trotzdem nicht. Die Versuche, sie auch auf der Leinwand mit banalen deutschsprachigen Liedern zu lancieren, scheitern, und man fühlt sich erinnert an Boettchers »Alexandra - Die Legende einer Sängerin«, über eine andere Sängerin, deren Stil nach unten nivelliert werden sollte.

»Sing! Inge, sing! Der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg« von Marc Boettcher: Spannendes Schicksal, fernsehtauglich präsentiert.

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